Am 4. April entzog das südkoreanische Verfassungsgericht dem Präsidenten Yoon Suk-yeol sein Amt aufgrund verfassungswidriger Machtüberschreitung. Seitdem ist er seiner präsidialen Immunität beraubt.
Obwohl Yoon nach der Amtsenthebung grundsätzlich weiterhin vor Strafverfolgung geschützt war, galt dieser Schutz nicht bei Anschuldigungen wegen Aufruhr oder Hochverrats. Die Ermittlungen gegen ihn aufgrund dieser Vorwürfe hatten bereits im letzten Jahr begonnen.
Vor dem Abschluss der Amtsenthebungsverfahren am 25. Februar verteidigte Yoon die Verhängung des Kriegsrechts als Aufruf an die Bürger, sich gegen staatsfeindliche Kräfte und Unterstützer der DVRK in der Opposition zu stellen. Yoon bekräftigte, es sei nicht seine Absicht gewesen, das Kriegsrecht dauerhaft aufrechtzuerhalten, sondern lediglich “Alarm zu schlagen”. Er beschuldigte die oppositionelle Demokratische Partei, ihre Mehrheit im Parlament zu missbrauchen und mit der DVRK zu sympathisieren.
Diese Woche begann der Prozess gegen den entmachteten Ex-Präsidenten am zentralen Bezirksgericht von Seoul. Die Staatsanwaltschaft wirft Yoon vor, einen Aufstand provoziert zu haben, indem er am 3. Dezember 2024 überraschend das Kriegsrecht ausrief und Truppen zur Nationalversammlung entsandte, um eine Abstimmung über sein Dekret zu verhindern.
Zu Beginn der Verhandlung betonte die Staatsanwaltschaft, dass Yoons Ausrufung des Kriegsrechts keine rechtliche Grundlage gehabt hätte. Yoon, vor seiner Präsidentschaft als Oberstaatsanwalt tätig, wies die Vorwürfe zurück und kritisierte die Anklageschrift als bloße Aufzählung der Ereignisse ohne stichhaltige Beweise.
Yoon argumentierte, das Kriegsrecht sei “nur für wenige Stunden” und gewaltfrei gewesen, nachdem das Parlament dessen Aufhebung gefordert hatte. Der Staatsanwaltschaft zufolge jedoch habe Yoon mit derEinplanung des Kriegsrechts einen Aufstand heraufbeschwören und die Verfassung untergraben wollen.
“Das Kriegsrecht ist kein Staatsstreich”, erklärte Yoon und beschrieb es als friedliche “Botschaft an die Nation”. Nach seiner Aussage hatte er beabsichtigt, das Kriegsrecht innerhalb eines halben Tages zu beenden.
Die Staatsanwaltschaft behauptet jedoch, Yoon habe den ehemaligen Verteidigungsminister Kim Yong-hyun schon drei Monate vor der Ausrufung des Kriegsrechts ernannt, um den Akt vorzubereiten. Yoon wies diese Anschuldigung zurück und betonte, die ständige Vorbereitung auf das Kriegsrecht sei eine notwendige Regierungsmaßnahme.
Im Gericht traten zwei hochrangige Offiziere als Zeugen auf, die behaupteten, Befehle erhalten zu haben, Gesetzgeber während des Kriegsrechts aus dem Parlament zu entfernen. Yoon bestreitet, solche Befehle erteilt zu haben. Angesichts der Schwere der Anschuldigungen drohen ihm die Todesstrafe oder lebenslange Haft, obwohl in Südkorea seit 1997 keine Hinrichtungen mehr stattgefunden haben.
Die kurze Verhängung des Kriegsrechts, die nur sechs Stunden andauerte und durch Proteste zurückgenommen wurde, führte zu einer der schwersten Verfassungskrisen in Südkorea seit Jahrzehnten. Am 3. Juni werden vorgezogene Präsidentschaftswahlen abgehalten.
Mehr zum Thema – Türkei, Japan und Südkorea: Neue Akteure in Zentralasien