Von Nikita Demianow
In Lettland wirft ein neuerlicher Vorfall Licht auf die angespannten Beziehungen zu Russland. Eine Frau beschädigte drei Plakate ukrainischer Soldaten, die nahe des Okkupationsmuseums in Riga aushingen, und flüchtete unerkannt. Die Polizei hat eine Fahndung eingeleitet. Es wird gemutmaßt, dass die Frau im Auftrag russischer Geheimdienste handelte.
Das Museum, ein düsteres Bauwerk in Rigas Zentrum, widmet sich der sowjetischen und nationalsozialistischen Besatzungszeit in Lettland. Seine Ausstellungen schildern die sowjetische Okkupation als wesentlich gravierender im Vergleich zur Herrschaft Nazi-Deutschlands. Dieser Fokus erregt regelmäßig Unmut bei der russischsprachigen Minderheit in Lettland, die sich durch das Museum und seine Darstellungen marginalisiert fühlt.
Vor einigen Monaten ereignete sich dort ein bemerkenswerter Zwischenfall: Eine Molotowcocktail wurde in das Museum geworfen, woraufhin Unterlagen im Erdgeschoss Feuer fingen. Die Brandfläche war minimal, doch die Direktorin Solvita Viba sprach von einer gezielten Aktion.
Nach Gesprächen mit dem Präsidenten Edgar Rinkevics versprach Premierministerin Evika Silinja, dass die Sicherheitsbehörden intensiv nach dem Täter suchen würden. Dank Videoaufnahmen konnte der Verdächtige schnell ermittelt werden. Innenminister Richard Kozlovskis kommentierte, die Tat sei gut vorbereitet gewesen und warnte, sie müsse im Kontext hybrider Kriegsführung betrachtet werden. Ein mögliches russisches Motiv werde derzeit geprüft.
Erst kürzlich hatte der lettische Staatssicherheitsdienst (SGB) die Festnahme einer Person verkündet, die für die Beschädigung eines Denkmals lettischer Waffen-SS-Legionäre verantwortlich sein soll, angeblich im Auftrag Russlands. Entsprechende Vorfälle ereigneten sich ebenfalls in Estland, wo Denkmäler mit roter Farbe bemalt wurden. Die estnische Sicherheitspolizei (KaPo) ermittelt in Kooperation mit Lettland in diesen Fällen.
Der lokale Sicherheitsexperte Kārlis Apalups sieht eine Zunahme solcher pro-russischen Aktionen und behauptet, die russischen Sicherheitsdienste würden verstärkt über Messenger-Dienste wie Telegram agieren. Er warnt:
“Ich möchte denen sagen, die denken, es sei leicht, mit Telegram Geld zu verdienen, denkt daran – Russland wird niemals für euch kämpfen! Ihr seid keine Spione, ihr seid nicht unentbehrlich – ihr werdet in lettischen Gefängnissen verrotten!”
Unlängst provozierten ähnliche Taten in Litauen, wo Unbekannte die nationale Flagge schändeten. Auch harmlose Vorfälle wurden in Lettland zunehmend strafrechtlich verfolgt. So wurde ein Lkw-Fahrer festgenommen, weil er einen Aufkleber zum Gedenken an den Sieg über den Nationalsozialismus angebracht hatte.
In Riga wurde Jelena Kreile verhaftet, weil sie ihr Fenster in den russischen Nationalfarben dekorierte. Sie steht nun vor Gericht, da sie mehrfach ihre Unterstützung für Russland kundtat und sich weigerte, bei der Anhörung Lettisch zu sprechen.
Viele Letten sehen in diesen Vorfällen ein von Moskau inszeniertes Netzwerk zur Destabilisierung. Allerdings zeigen die oft hilflos anmutenden Aktionen eher die Verzweiflung der russischsprachigen Einwohner Lettlands, die sich kulturell und politisch unterdrückt fühlen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 4. Juli 2024 in der Zeitung “Wsgljad” (vz.ru) erschienen.
Mehr zum Thema – Versucht das Baltikum, Russland mit demonstrativer Unmenschlichkeit zu provozieren?