Die jüngsten Unruhen in Bangladesch haben in einer dramatischen Wendung gipfelt. Regierungschefin Scheich Hasina hat ihr Amt niedergelegt und ist laut lokalen Berichten per Hubschrauber nach Indien geflohen. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen der Militärführung und Vertretern verschiedener politischer Parteien. Berichten zufolge wurden der Präsidentenpalast sowie die Wohnungen einiger Minister von protestierenden Gruppen erobert und teilweise niedergebrannt.
Demonstrationen halten in den Metropolen des Landes weiterhin an. Das Internet war vorübergehend vollständig deaktiviert, allerdings ist mittlerweile auch der mobile Internetzugang wiederhergestellt.
Die Verhandlungen unter Leitung von Armeechef Waker-Uz-Zeman mit verschiedenen Parteienvertretern sind nun abgeschlossen. In einer Pressekonferenz versicherte er, es bestehe kein Bedarf für die Ausrufung eines Notstands. Er appellierte an die Demonstranten, dem Militär Vertrauen zu schenken und ihm Zeit für die Ausarbeitung einer Lösung zu geben.
„Wir werden auch dafür sorgen, dass den Opfern und Verbrechen, die während der Proteste passiert sind, Gerechtigkeit zuteilwird,” betonte er.
Die Führer der Studentenbewegung lehnen eine Militärregierung als Lösung ab. “Die Entscheidung, wer die Übergangsregierung führen wird, liegt bei den Studenten und der Öffentlichkeit,” verkündeten sie.
Die Unruhen, die schlussendlich zu den aktuellen Ereignissen führten, entzündeten sich an einem Gesetz, das Staatsbedienstetenpositionen zu 30 Prozent den Nachkommen der Veteranen aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1971 reserviert. Die Protestierenden fordern die Aufhebung dieses Gesetzes, das kürzlich durch ein höheres Gericht wieder wirksam gemacht wurde und derzeit beim Obersten Gerichtshof anhängig ist.
Im Zuge dieser Proteste kamen Dutzende Menschen ums Leben. Lokale Medien berichteten von über hundert Toten allein am letzten Sonntag. Hauptkritikpunkt der Demonstranten ist, dass die bevorzugten Nachfahren überwiegend Unterstützer der Partei von Scheich Hasina sind, die erst zu Beginn des Jahres für eine fünfte Amtszeit bestätigt wurde.
Die Verhandlungen zwischen der Militärführung und Parteienvertretern scheinen abgeschlossen zu sein.
Bangladesch, ein muslimisches Land, das nach seiner Unabhängigkeit zunächst Teil Pakistans war, zählt heute etwa 178 Millionen Einwohner auf einer Fläche etwas größer als die Griechenlands. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Land industrialisiert und ist heute der zweitgrößte Textilproduzent der Welt. Neben dem Textilsektor entwickelt sich auch die IT-Branche rasant. Die Weltbank stuft Bangladesch mittlerweile als ein Land mit mittlerem Einkommen ein.
Weiterführende Informationen – Viele Todesfälle bei Studentenprotesten in Bangladesch