Von Dagmar Henn
Bundeskanzler Olaf Scholz wurde bei seiner Ankunft in China noch mit dem traditionellen roten Teppich empfangen. Im Gegensatz dazu könnte die Ankunft von US-Außenminister Antony Blinken in China als eines der weniger herzlichen Willkommen bewertet werden. Dieses Ereignis könnte es sogar unter die Top Ten der Liste “ungastliche Empfänge” schaffen, allerdings nicht ganz so schlecht wie sein Empfang in Istanbul, wo nachts nicht einmal die Flughafenbeleuchtung eingeschaltet wurde.
Der Besuch von Blinken war von Anfang an vorhersehbar: Er reiste an, um China zu warnen, China wies die Warnungen zurück, und als Resultat dessen werden die nächstfolgenden Sanktionen der USA, die bereits vorbereitet waren, in Kraft treten. Es scheint ein gut einstudiertes Skript zu sein, das beide Parteien schon im Voraus kannten.
Blinkens Besuch steht außerdem in direktem Zusammenhang mit der Zustimmung des US-Kongresses zu einem Hilfspaket, welches auch weitere Milliarden für die Aufrüstung Taiwans vorsieht. Man kann davon ausgehen, dass China auf die zu erwartenden Sanktionen vorbereitet ist, ebenso wie die USA auf die chinesische Reaktion vorbereitet waren. Dieses ganze Drama scheint lediglich eine Vorbereitung für die Eskalation eines wirtschaftlichen Konflikts zu sein.
Ein besonders bezeichnendes Ereignis für die ökonomischen Beziehungen zwischen den USA und China, das auf den ersten Blick nichts damit zu tun zu haben scheint, ist die Entscheidung der USA, eingefrorene russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen. China, als größter Halter von US-Staatsanleihen, hat diese Entscheidung sicher mit großer Besorgnis verfolgt. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass der Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellen in China möglicherweise darauf abzielte, China zum Kauf weiterer Staatsanleihen zu bewegen, was jedoch möglicherweise durch diese US-Entscheidung zunichte gemacht wurde.
Das komplizierte Spiel aus Aktion und Reaktion ist auch an den Folgen der neuesten Sanktionen der USA und Großbritanniens gegen den Import einiger Metalle aus Russland erkennbar. Diese führten nicht nur zur Verlagerung des Handels für diese Metalle nach Shanghai, sondern auch zu einem Preisanstieg, der die Pläne für den Ausbau von öffentlichen Ladestationen für Elektroautos in Großbritannien unrealistisch erscheinen lässt, da ohne Kupfer kein Strom fließt. Es lässt sich vermuten, dass die anstehende Runde US-Sanktionen gegen China erneut ohne gründliche Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen für die eigene Ökonomie entwickelt wurde.
Eine weitere Klarheit besteht jedoch: Die Verschärfung der US-Politik gegenüber China stellt Europa vor schwierige Entscheidungen, was in China genau beobachtet und von der chinesischen Global Times auch kommentiert wird. In diesem Kontext erwähnt die Zeitung auch Gespräche mit dem ungarischen und dem französischen Außenministerium. Ohne die Akteure direkt zu benennen, wird angedeutet, dass in Europa Kräfte am Werk sind, die eine Zusammenarbeit mit China, die den eigenen strategischen Interessen dienen würde, nicht unterstützen möchten.
“Wenn China und Europa durch Kommunikation und Interaktion das wechselseitige politische Vertrauen stärken, gibt es Kräfte, die unbegründete Behauptungen über ‘chinesische Spione’ und ‘chinesische Infiltration’ nutzen, um in der europäischen Öffentlichkeit Angst zu schüren.”
Die sich verschärfenden geopolitischen Spannungen könnten bald zu einem kritischen Punkt führen. Die Tatsache, dass sich der Kommentar der Global Times intensiviert hat, zeigt, dass die Situation zwischen den USA und China angespannt bleibt. Die neueste Version der Überschrift lautete: “Chinas Außenminister trifft Blinken, drängt die USA, Chinas rote Linien bei Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen nicht zu überschreiten.
“Die USA streben nicht nach einem neuen Kalten Krieg, nicht nach einer Änderung des Systems Chinas, wollen Chinas Entwicklung nicht unterdrücken, wollen ihre Allianzen gegen China nicht wiederbeleben und haben nicht die Absicht, einen Konflikt mit China zu führen.”
Zweifellos wird diese dynamische und komplexe politische Landschaft weiterhin die Beziehungen zwischen den globalen Supermächten prägen.
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