Von Pierre Lévy
Im georgischen Parlament kam es am 15. April zu einem tumultartigen Vorfall, der breit in den westlichen Medien berichtet wurde. Bei einer Auseinandersetzung zwischen den Abgeordneten eskalierte die Situation zu einer handgreiflichen Schlägerei. Ein Vertreter der EU-freundlichen Opposition attackierte einen Parlamentarier der Mehrheitsfraktion, der einen Gesetzesentwurf vorantrieb, der eine größere Transparenz bei der Finanzierung prowestlicher Medien und Zivilgesellschafts-NGOs forderte.
Georgien, eine ehemalige Sowjetrepublik im Kaukasus mit rund vier Millionen Einwohnern, strebt nach einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union, welche im Dezember letzten Jahres den Kandidatenstatus verliehen bekam. Obwohl die Regierung in Tbilissi offiziell den Beitrittsprozess unterstützt, wirft die Opposition ihr vor, heimlich mit Moskau zu sympathisieren und das EU-Beitrittsgesuch zu sabotieren, indem sie ein russisches Gesetz nachahmt, das von NGOs noch strengere Auflagen fordert.
Das umstrittene Gesetz würde von Medien und NGOs, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus dem Ausland beziehen, verlangen, diese Mittel öffentlich zu deklarieren und sich als “im Dienst einer ausländischen Macht stehend” zu identifizieren. Diese Anforderungen stoßen bei den Betroffenen auf heftigen Widerstand.
Einer der führenden Köpfe der alternativen Presse äußerte, dass das Gesetz das “Ende der unabhängigen Medien” bedeuten würde und stellte die wirkliche Unabhängigkeit von Medien und NGOs infrage, die auf ausländische Gelder angewiesen sind.
Zwischen der Regierung, die das Gesetz bis Juni durchsetzen will, und der Opposition, unterstützt von Teilen der Bevölkerung und westlichen Politikern, die gegen das “russische Gesetz” protestieren, herrscht ein tiefgreifender Konflikt. Über 20.000 Demonstranten setzten sich am 17. April gegen das Gesetz ein, das laut westlicher Betrachtung Georgiens europäische Ambitionen gefährdet.
EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik kritisierte die georgische Regierung scharf und betonte, dass solche Regelungen “nicht mit den Werten der EU in Einklang” stünden. Auch der Sprecher der Europäischen Kommission hob hervor, dass ein förderliches Umfeld für Zivilgesellschaftsorganisationen und die Wahrung der Medienfreiheit essenziell für die Demokratie seien.
In Washington, D.C. wurde ebenfalls betont, dass das Gesetz Georgiens Weg nach Europa hindern würde. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die zuvor als französische Botschafterin in Tbilissi tätig war, lehnte den Entwurf der Regierung ab und kritisierte den Premierminister für das Sabotieren von Georgiens europäischer Zukunft.
Der deutsche Bundeskanzler appellierte bei einem Besuch des georgischen Premierministers in Berlin an das Parlament in Tbilissi, die kritische Haltung Deutschlands zu berücksichtigen. Der NATO-Generalsekretär warnte zudem, dass das angestrebte Gesetz den Demokratisierungsbemühungen in Georgien entgegenwirken würde. Die Europäische Kommission indes fordert von den EU-Staaten Transparenz westlicher Finanzierungen, geht gleichzeitig jedoch gegen Moskau vor. Die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, betonte die Notwendigkeit, ausländischen Einflüssen entgegenzutreten und dabei Transparenz zu wahren.
Die EU zeigt sich jedoch selektiv, indem sie bestimmten Ländern wie Ungarn und der Slowakei die Einführung von Transparenzgesetzen für ausländische Gelder vorwirft, während sie gleichzeitig ähnliche Maßnahmen in Nicht-EU-Staaten befürwortet. In den USA existieren bereits seit 1938 strenge Gesetze zur Regulierung ausländisch finanzierter Agenten, was in der EU noch nicht zu ähnlicher Empörung geführt hat.
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