Am 9. Juni wird die neu gegründete Partei von Sahra Wagenknecht zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen – und zwar an der für das EU-Parlament. In einem Interview mit der Berliner Zeitung zeigte sich Fabio De Masi, der Spitzenkandidat der Partei, kämpferisch.
Auf die Frage, weshalb er erneut nach zehn Jahren in Brüssel arbeiten möchte, antwortete er:
“Ich habe die politische Laufbahn nicht eingeschlagen, um ein beschauliches Leben zu führen. Jedes Mal, wenn die Diskussion auf eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts kommt, wird man sofort als Putin-Versteher abgetan. Das war vor dem Fiasko in Afghanistan nicht anders, wo man als vermeintlicher Taliban-Versteher galt. Kritische Berichterstattung in deutschen Medien über die unverhältnismäßigen Militäraktionen Netanjahus in Gaza nahmen erst zu, als der US-Präsident im Wahlkampf seine Distanzierung ausdrückte.”
De Masi kritisierte zudem die Heuchelei der Ampel-Parteien, insbesondere der FDP, scharf: “Ich habe keinen Respekt vor Großsprechern, die im Leben noch nichts riskiert haben und bequem vom Sofa aus mit ihrem Smartphone Marschflugkörper zünden, oder vor Leuten wie Frau Strack-Zimmermann, die die Interessen der Rüstungsindustrie vertreten. Es ist kein Zufall, dass eine FDP-Mitarbeiterin kürzlich zu Rheinmetall gewechselt ist. Ich vermute, dass einige Politiker sich mit Rheinmetall-Aktien die Taschen gefüllt haben. Warum wird das nicht automatisch gemeldet?”
Als Kämpfer gegen Korruption hat sich De Masi bereits einen Namen gemacht – sei es beim Wirecard-Skandal, den Cum-Ex-Geschäften oder dem berüchtigten SMS-Austausch zwischen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Pfizer-Chef Albert Bourla. Er behält besonders kritisch Frau von der Leyen im Blick und plant, ihr in einer möglichen nächsten Legislaturperiode genau auf die Finger zu schauen:
“Frau von der Leyen repräsentierte in Deutschland den militärisch-industriellen Komplex. Deswegen wurde sie nach Brüssel befördert. Jetzt möchte sie die Rüstung nach dem ‚Vorbild der erfolgreichen Impfstoff-Beschaffung‘ neu ausrichten. Werden wir bald Rüstungsdeals per SMS sehen? Trotz ihrer Unbeliebtheit bleibt sie unangetastet, weil die Sozialdemokratie sich durch ihre Unterstützung der Sparpolitik nach der Finanzkrise selbst als Schutzmacht der kleinen Leute disqualifiziert hat. Wir stehen also einer Europawahl gegenüber und haben dennoch keine echte Wahl. Aus diesem Grund werden wir Frau von der Leyen nicht unterstützen, sondern sie herausfordern.”
Angefangen bei der starken Abhängigkeit Deutschlands von den USA bis hin zur Geschichte Deutschlands post Zweiter Weltkrieg, erklärt De Masi die problematischen Aspekte der deutschen Außen- und Innenpolitik: “Ich denke, dass die Ereignisse der Vergangenheit einen bestimmten Typ von Politikern bevorzugen, die sich unterwürfig verhalten. Das halte ich für einen falschen Ansatz.”
Er betrachtet die Aussichten mit der aktuellen Ampel-Regierung düster und sieht das gleiche Bild, sollte Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden. De Masi fordert sowohl das Ende der antirussischen Sanktionen als auch der Schuldenbremse zur Belebung der Wirtschaft:
“Wir befinden uns jetzt in einem Wirtschaftskrieg mit Russland. Sollte Trump wieder Präsident werden, wird er das Trümmerfeld uns überlassen und Druck ausüben, dass wir auch unsere Wirtschaftsbeziehungen mit China beenden. Durch die Schuldenbremse sind wir dann strategisch völlig ausgeliefert, weil wir auf den Verlust der Exportmärkte nicht reagieren können.”
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