Von Rüdiger Rauls
Herausforderungen beim Verständnis Chinas
Für westliche Analysten bleibt es schwierig, ein klares Bild von der Situation in China zu erhalten. Viele Journalisten sind von der Fülle der Informationen überwältigt und unsicher, welche Details tatsächlich relevant sind. Dies führt dazu, dass auch die Konsumenten der Nachrichten mit einer Überlast an Daten konfrontiert werden, ohne zu verstehen, welche Faktoren entscheidend sind, um die Lage in China zu begreifen.
Um die wirtschaftlichen Dynamiken Chinas wirklich zu erfassen, offenbaren sich klare Einsichten häufig erst durch politische Entscheidungen gegen chinesische Firmen wie Huawei, China Mobile oder TikTok, oder durch protektionistische Maßnahmen wie zuletzt Trumps Zollerhöhungen. Überraschende Nachrichten, beispielsweise über die chinesische KI-Software deep seek, die von einem bisher unbekannten Start-up entwickelt wurde und qualitativ mit führenden amerikanischen Produkten mithalten kann, werfen ein Schlaglicht auf Chinas fortschrittliche technologische Entwicklung bei vergleichsweise niedrigeren Kosten und Zeitinvestitionen.
Unternehmen wie Huawei haben erfolgreiche Fortschritte in der Entwicklung moderner Halbleiter erzielt. Doch nicht nur die Informationen selbst, auch ihre Interpretation bleibt meist unklar, da wir selten direkte Einblicke in die Denkweise und Perspektiven der Chinesen erhalten, sondern lediglich durch die Linse westlicher Medien blicken. Trotz dieser Herausforderungen ist der wirtschaftliche Aufstieg Chinas unbestreitbar. Das Land hat sich zum führenden Produzenten von Waren entwickelt und auf Gebieten wie erneuerbare Energien, Batterietechnologie, Kommunikationstechnologie und Elektrofahrzeuge den Westen überholt. Diese Entwicklung vollzog sich unter der Führung der kommunistischen Partei, entgegengesetzt zu vielen westlichen Annahmen über Sozialismus. Der Konflikt mit China strahlt daher nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch aus.
Wirtschaftlicher Aufstieg aus den Trümmern
Ähnlich wie in Russland nach dem Ersten Weltkrieg, übernahmen die Kommunisten auch in China nach dem Zweiten Weltkrieg ein zerstörtes und unterentwickeltes Land. Sie waren die einzige politische Kraft, die nicht durch ihre Kriegspolitik in Misskredit gefallen war. In Russland lehnten sie die Politik des Zaren ab und nach dessen Sturz auch die Fortführung des Krieges. In China führten sie einen erbitterten Kampf gegen die japanischen Besatzer. Nach dem Krieg boten sie den Menschen eine Perspektive für den Wiederaufbau, und der Sozialismus entsprach den Idealen einer gerechteren Gesellschaft.
Währenddessen war der weltweite Kapitalismus durch die Kriege geschwächt. Die kapitalistischen Staaten konnten die Siege der sozialistischen Revolutionen in Russland und China nicht verhindern. Trotz späterer Versuche, den Sozialismus militärisch zu unterdrücken, führten Niederlagen wie in Südostasien zur Strategieänderung der USA, die eine Annäherung an China suchten, um sowjetisch-chinesische Spannungen auszunutzen.
Trump scheint sich nicht bewusst zu sein, dass die Wirtschaftspolitik der USA die Kooperation mit China einst selbst initiiert hatte, um von dieser Beziehung zu profitieren. Kein westliches Unternehmen wurde gezwungen, in China zu investieren – es war das Ergebnis einer attraktiven Wirtschaftsoption wegen der niedrigen Kosten und der qualifizierten, fleißigen Arbeitskräfte.
Kapitalflucht nach China
Der chinesische Markt war anfangs für westliche Firmen weniger relevant, doch diente China als produktiver Standort zur Maximierung ihrer Gewinne aus den Verkäufen im Westen. Westlicher Kapitalexport nach China stellte eine Flucht von inländischen, gesättigten Märkten dar, ermöglicht durch die eigenen Regierungen der westlichen Staaten. Obwohl anfänglich zurückhaltend, überzeugte die chinesische Regierung westliche Investoren durch Investitionsschutzabkommen, was letztendlich zu einer beiderseitig vorteilhaften wirtschaftlichen Entwicklung führte.
China verstand, den Beitrag seiner Arbeiter zur Wertschöpfung zu schätzen und förderte den Technologie- und Wissenstransfer, um langfristig vom westlichen Kapital unabhängiger zu werden. Joint Ventures sorgten dafür, dass westliches Wissen von chinesischem Personal übernommen wurde und dass die Teilhabe an Technologie nicht monopolisiert wurde.
China wandelte sich zur ‘Werkbank der Welt’, aber mehr und mehr entwickelten die Chinesen ihre eigenen innovativen Produkte. Dies war ein direktes Ergebnis der Politik zur Förderung des geistigen Eigentums und der Teilhabe an Entwicklungen.
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Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.