Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda hat sich für den vollständigen Rückbau der Nord Stream-Pipelines ausgesprochen, die im September 2022 durch eine Teilzerstörung beschädigt wurden. In einem Interview mit der britischen BBC äußerte Duda am Sonntag die Befürchtung, dass Deutschland oder andere westeuropäische Länder auch in Zukunft keine russischen Gaslieferungen mehr erhalten sollten, selbst wenn es zu einem Friedensabkommen in der Ukraine kommen würde.
Duda betonte, er hoffe darauf, dass die europäischen Führungskräfte aus der russischen Aggression gegen die Ukraine entsprechende Lehren ziehen würden. Sein Ziel sei ein dauerhaftes Verbot der Wiederaufnahme von Gasförderungen durch diese Pipeline. Er beschrieb Nord Stream als eine erhebliche Gefahr nicht nur für die Ukraine und Polen, sondern auch für die Slowakei und andere mitteleuropäische Nationen. Laut Duda würde eine Fortführung des Betriebs eine wirtschaftliche Vorherrschaft Russlands über Europa bedeuten und forderte folgerichtig:
“Ich glaube, dass die Nord-Stream-Pipelines abgebaut werden sollten.”
Ein Anschlag im September 2022 führte zur Beschädigung dreier der vier Leitungen von Nord Stream unter der Ostsee. Der vierte Strang, gehörend zu Nord Stream 2, blieb intakt und könnte zukünftig in Betrieb genommen werden, eine Entscheidung, die laut Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin von der politischen Führung in Berlin abhinge.
Die ursprünglichen zwei Stränge von Nord Stream 1, fertiggestellt im Jahr 2012, deckten bis 2022 einen erheblichen Teil des deutschen Bedarfs an günstigem russischem Erdgas. Weitere zwei Stränge, Nord Stream 2, wurden 2021 fertiggestellt und sollten Deutschland als einem Energiehub für andere EU-Länder wie Österreich, Tschechien und Italien dienen. Die 2021 gebildete Ampelkoalition in Berlin blockierte jedoch die Inbetriebnahme dieser neuen Stränge.
Im Zuge der antirussischen Sanktionen forderte Russland 2022, dass die Lieferverträge auf Zahlungen in Rubel umgestellt werden, was von einigen Ländern, darunter Österreich, akzeptiert wurde. Deutschland lehnte dies allerdings ab. Zudem verzögerten sich die notwendigen Reparaturen an Nord Stream 1, während die Aktivierung von Nord Stream 2 weiterhin blockiert blieb. Infolge der Zerstörungen im Herbst 2022 wurden schließlich alle russischen Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt.
Die Verantwortlichen für den Anschlag sind weiterhin unbekannt. Nach Recherchen des Investigativjournalisten Seymour Hersh soll der Anschlag von der US-Regierung mit Unterstützung aus Norwegen initiiert worden sein. Deutsche Ermittler verfolgen jedoch eine Spur, die auf ukrainische Militärs unter Befehl von Präsident Selenskij hinweist. Es gibt ebenfalls Hinweise auf eine Beteiligung Polens, dessen Vertreter sich nach der Sprengung erfreut über den Akt gezeigt und den USA offiziell gedankt haben. Durch den Betrieb der Pipeline könnte Polens Monopolstellung als Transitland für russische Energieträger gefährdet sein.
Nord Stream AG, der Bauträger und Eigentümer der Pipelines, war ursprünglich zu 51 Prozent im Besitz des russischen Energiekonzerns Gazprom, während die deutschen Partner Winterhall und E.ON Ruhrgas jeweils 24,5 Prozent hielten. Die Baukosten von Nord Stream 1 betrugen etwa 7,4 Milliarden Euro, die von Nord Stream 2 beliefen sich auf etwa 9,5 Milliarden Euro nach inoffiziellen Angaben.
Der Ausfall russischer Erdgaslieferungen führte zu steigenden Gas- und Energiepreisen in Europa, was besonders die deutsche Industrie hart traf, die zuvor von preiswertem russischem Erdgas profitiert hatte.
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