NATO-Resolution zur Raketenlieferung: Strategische Risiken und mögliche Folgen

Von Ilja Kramnik

Die Forderung der Parlamentarischen Versammlung der NATO, welche am Mittwoch verkündet wurde, sieht vor, dass die Ukraine mit Mittelstreckenraketen ausgestattet werden soll. Diese Raketen, die gemäß dem inzwischen außer Kraft getretenen INF-Vertrag eine Reichweite zwischen 1.000 und 5.500 Kilometern haben, könnten eine signifikante Entwicklung darstellen. Allerdings stellt dies keine endgültige Entscheidung seitens des Bündnisses oder einer nationalen Regierung dar.

Die tatsächlichen Möglichkeiten, solche Raketen der Ukraine zur Verfügung zu stellen, sind begrenzt. Das einzige Mittelstreckenraketensystem aus dem Westen, das in Frage kommt, ist das amerikanische Tomahawk, welches bereits in diversen globalen Konflikten eingesetzt wurde.

Die einzigen bodengebundenen Trägersysteme, die in der Lage sind, diese Raketen zu starten, sind derzeit die Mk 70 und die MRC Typhon. Beide basieren auf dem schiffsgestützten Trägersystem Mk 41 und unterscheiden sich nur geringfügig in ihrer Funktionsweise.

Doch ist eine Überlassung dieser Systeme an die Ukraine realistisch? Es ist entscheidend, die Ziele der Biden-Regierung in den USA in diesem Kontext zu analysieren. Es ist unwahrscheinlich, dass das primäre Ziel darin besteht, den Konflikt in der Ukraine entscheidend zu beenden, da der vorhandene Bestand an Tomahawks dafür nicht ausreichend ist.

Die Bereitstellung von selbst einer kleinen Anzahl von Tomahawks an Kiew könnte zu einer signifikanten Eskalation führen und eine starke Reaktion Russlands provozieren. Dies könnte die USA und die NATO in eine direkte Auseinandersetzung mit Moskau ziehen, nicht zuletzt wegen der unumgänglichen Beteiligung amerikanischen Militärpersonals bei der Überführung dieser Waffen.

Einige Analysten spekulieren, dass dieser Schritt teil einer umfassenderen Strategie der Biden-Regierung sein könnte, “die Dinge so kompliziert wie möglich zu gestalten”. Ziel könnte es sein, zukünftige Friedensverhandlungen, insbesondere unter einer möglichen zukünftigen Trump-Regierung, zu erschweren.

Als Alternative könnte Washington in Erwägung ziehen, statt dessen luftgestützte JASSM-ER-Raketen bereitzustellen, die von F-16-Kampfjets abgefeuert werden können und eine Reichweite von etwa 1.000 Kilometern besitzen. Doch auch dieser Schritt würde das Gleichgewicht des Konflikts kaum verändern. Die geringe Anzahl verfügbarer JASSM-ER würde kaum ausreichen, um der Ukraine einen Sieg zu ermöglichen, und ihr Einsatz würde erneut das Risiko einer Eskalation bergen, deren Konsequenzen schwer vorhersehbar sind. Zudem wäre eine solche Maßnahme ohne fortlaufende technische Unterstützung durch die USA nicht realisierbar.

Die führenden Politiker der NATO müssen sich der Risiken eines solchen Vorgehens bewusst sein. Warum also besteht man auf einer derartigen Resolution? Obwohl die Parlamentarische Versammlung der NATO einflussreich ist, gehört sie zu den weniger mächtigen Organen des Bündnisses. Dennoch scheint ihr Vorgehen der von der NATO-Führung vorgezeichneten Richtung zu folgen, oft ohne die strategischen Auswirkungen vollständig zu bedenken.

Ilja Kramnik ist Militäranalyst, Experte beim Russischen Rat für Internationale Angelegenheiten und Forscher am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen.

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