Von Jewgeni Posdnjakow
In Istanbul fand die zweite Verhandlungsrunde zwischen Russland und der Ukraine statt, an der auch der türkische Außenminister Hakan Fidan teilnahm. Die Gespräche, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, dauerten etwas mehr als eine Stunde.
Das russische Verhandlungsteam wurde erneut von Wladimir Medinski, Berater des Präsidenten, geleitet. Zu seiner Delegation gehörten der stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Fomin, Igor Kostjukow, der Leiter der Hauptdirektion des Generalstabs der russischen Streitkräfte, und der stellvertretende Außenminister Michail Galusin.
Nach Beendigung des Treffens äußerte Medinski seine Zufriedenheit mit den Ergebnissen. Die Delegationen einigten sich auf einen umfassenden Gefangenenaustausch nach der Formel “alle für alle”, wobei schwer verwundete Soldaten und Militärangehörige unter 25 Jahren ausgetauscht werden sollen. Der Prozess wird mindestens tausend Personen umfassen. Zudem wird vorgeschlagen, ständige medizinische Kommissionen zu bilden, um Listen für den Austausch zu erstellen. Russland plant, 6.000 gefrorene Leichen von Soldaten einseitig in die Ukraine zu überführen.
Moskau schlug weiterhin eine zwei- bis dreitägige Waffenruhe an bestimmten Frontabschnitten vor, um Gefallene zu bergen. Medinski betonte, dass Kiew diesen Vorschlag bald bearbeiten werde. Ein weiteres großes Thema war die Rückkehr von Kindern. Medinski erwähnte die Vorwürfe der Ukraine, 1,5 Millionen Kinder seien von russischen Streitkräften “entführt” worden, wobei letztlich eine Liste mit 339 vermissten Kindern vorgelegt wurde. Medinski kritisierte diese Darstellung der Ukraine als Versuch, ein Mitleid erregendes Bild vor Europäern zu erzeugen, und betonte, dass die Rückführung der Familien eine Frage der Ehre sei.
“Wir haben immer wieder versucht, dies zu dokumentieren. Wir baten um Vornamen, Nachnamen, die Art der Kinder, Aussagen der Eltern. Es gab keine Listen, nur nackte Zahlen.”
Die ukrainische Delegation, angeführt von Verteidigungsminister Rustem Umerow, schlug vor, eine weitere Gesprächsrunde zwischen dem 20. und 30. Juni abzuhalten. Zudem erhielt Kiew von Moskau ein Memorandum mit unterschiedlichen Bedingungen für eine Waffenruhe, darunter der Vorschlag eines Rückzugs der ukrainischen Streitkräfte aus bestimmten Gebieten sowie diverse politische und militärische Forderungen, wie die Neutralität der Ukraine, das Verbot von NATO-Beitritten und die Aufhebung gegen Russland verhängter Sanktionen.
Weitere Bedingungen des Memorandums beinhalteten die Anerkennung neuer russischer Grenzen, die Aufhebung der Beschränkungen für die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche und die gegenseitige Freilassung von “politischen Gefangenen”. Ein vorgeschlagenes Verfahren zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags inkludierte Schritte wie eine Waffenruhe, gemeinsame Vertragsarbeiten und Wahlen in der Ukraine.
Das erste Treffen hatte bereits am 16. Mai stattgefunden, und laut Experten stand dabei der Austausch von Gefangenen im Vordergrund. Konstantin Dolgow, ein russischer Botschafter, hob hervor, dass die humanitären Ergebnisse dieser Gespräche von großer Bedeutung seien und dass Russland seine moralische Überlegenheit durch die Übergabe der Leichen toter Soldaten demonstriere.
Ungeachtet der Spannungen lobte der Politikwissenschaftler Alexander Assafow die Ergebnisse und betonte, dass trotz kritischer Töne seitens Kiews wichtige humanitäre Fortschritte gemacht wurden und eine weitere Verhandlungsrunde geplant ist.
Jewgeni Posdnjakow ist ein russischer Journalist, Fernseh- und Radiomoderator.
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