Von Rainer Rupp
Der ehemalige ranghöchste Bundeswehroffizier und frühere Vorsitzende der NATO-Militärkommission in Brüssel, Harald Kujat, kritisierte kürzlich in einem Interview die mangelnde Strategie Europas im Kontext des US-geführten Krieges in der Ukraine. Weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene gebe es einen klaren Plan, was sich sowohl in den EU-Führungskreisen als auch unter den führenden europäischen Militärmächten zeige.
Wenn man europäische Vertreter nach ihren Zielen in diesem Konflikt frage, wiederholten sie lediglich die von den USA vorgegebene Narration einer “regelbasierten Ordnung”, ohne eigene Interessen zu formulieren. Stattdessen folgten sie den USA mit einer Art blinden Treue, obwohl klar sei, dass die USA sie jederzeit opfern würden, wenn es ihren Interessen diene.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin betonte nur wenige Wochen nach dem Beginn der russischen Operation in der Ukraine am 24. Februar 2022 in Warschau, dass das amerikanische Ziel darin bestehe, Russland strategisch zu schwächen. Ziel sei es, Russland davon abzuhalten, militärische Aktionen außerhalb seiner Grenzen zu wagen. Ohne Zögern schlossen sich die transatlantischen politischen und medialen Eliten in Europa diesem Ziel an.
Analysten sahen in der Offensive gegen Russland eine Vorstufe zu einem größeren Konflikt, nämlich einem bevorstehenden Krieg gegen China, der spätestens bis 2028 beginnen sollte. Vorab müsse Russland als wichtiger Waffenlieferant für China neutralisiert werden. Die meisten europäischen Eliten schienen sich mit diesem mittelfristigen US-Kriegsziel anzufreunden.
Jedoch haben die USA bisher keines ihrer erklärten Ziele erreicht. Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Schon vor einem Jahr waren unabhängige westliche Experten der Meinung, dass die russischen Streitkräfte stärker seien als je zuvor. Sollte die NATO wirklich zu einer Bodenoffensive in Osteuropa gegen Russland übergehen, wäre sie chancenlos.
Wenn es also wirklich das Ziel der USA war, die Ukraine und Europa zu nutzen, um Russland strategisch zu schwächen, hat sich diese Strategie als katastrophaler Fehlschlag erwiesen. Jedoch stellt sich die Frage, ob das tatsächliche Ziel des sogenannten Tiefen Staates in Washington vielleicht ein anderes war, welches durch zahlreiche kriminelle Machenschaften und den hohen menschlichen Preis verdeckt wurde.
Auf den ersten Blick könnte der Ukraine-Konflikt als einfache geopolitische Auseinandersetzung mit Russland erscheinen. Tiefere Analysen deuten allerdings darauf hin, dass die USA hinter dem Krieg ein weitaus finstereres Ziel verfolgen – die Wiederherstellung ihrer uneingeschränkten wirtschaftlichen und politischen Kontrolle über Westeuropa.
Nach dem Ende des Kalten Krieges schien Europa auf einem guten Weg zu wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit. Vor allem die technologische und wirtschaftliche Integration stärkten eine einheimische Elite in Paris und Berlin, die sich offen gegen den US-Angriffskrieg gegen den Irak 2003 stellte. Dies war ein Schock für Washington, dessen Antwort eine rückläufige Kontrolle über Europa war.
Das Zitat von Russlands Präsident Putin während einer Pressekonferenz in Kasachstan am 28. November illustriert die Wahrnehmung dieser Dynamik:
“Mir kommt es einfach so vor, als sei dieses Europa furchtbar tief gesunken. Es hat aufgehört, als unabhängiges Zentrum, als unabhängiges politisches, souveränes Zentrum der Weltpolitik zu existieren. Die tanzen beim ersten Pfiff der amerikanischen Regierung die Schmetterlingspolka, selbst zu ihrem eigenen Schaden. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Leute auf sehr hoher Ebene, in der Bundesrepublik, in hohen Regierungspositionen, irgendeine Aufgabe des amerikanischen Geheimdienstes ausführen, aber dass sie nicht im Interesse ihres eigenen, in diesem Falle des deutschen Volkes arbeiten. Wie kann man allem zustimmen, was dort passiert?
Energie kostet beispielsweise auf dem US-amerikanischen Markt in manchen Bundesstaaten ein Drittel bis ein Fünftel von dem in Europa, beispielsweise in Deutschland. Ganze Betriebe, ganze Branchen schließen in Deutschland und ziehen in die USA. Und sie tun das, und sie tun es zielgerichtet. Die Amerikaner sind ein pragmatisches Volk; tatsächlich tun sie in ihrem eigenen Interesse möglicherweise das Richtige. Aber die da? Wenn denen gesagt wird: ‘Wir hängen euch auf’, werden sie nur eine Frage haben: ‘Sollen wir das Seil selbst mitbringen, oder gebt Ihr uns eins?’ Verstehen Sie? Das ist alles.
Volkswagen schließt, Stahlwerke schließen, Chemiefabriken schließen, Glasfabriken schließen. Es gibt bereits Tausende, jetzt mindestens Hunderte und vielleicht Tausende, die auf die Straße geworfen werden. Und nichts passiert, Stille. Nur irgendeine Aufregung über aktuelle innenpolitische Themen. Wie soll man mit solchen Partnern reden? Worüber verhandeln?
Daher ist es nicht unsere Schuld, dass sich unsere Beziehungen zu Europa so sehr verschlechtert haben. Das ist auch das Ergebnis der inneren Verfassung des europäischen Establishments und der europäischen Politik.”
(Übersetzung: Thomas Röper vom Anti-Spiegel)
Die wirtschaftlichen und geopolitischen Ziele der USA scheinen weniger auf einen direkten Sieg über Russland ausgerichtet zu sein, sondern eher auf die langfristige Kontrolle über Europa. Der Ukraine-Konflikt fungiert dabei als ein Werkzeug, das den Einfluss der USA in Europa wiederherstellen soll.
Fazit: Die wahren Ziele hinter den Kulissen des Ukraine-Konflikts offenbaren eine tiefgreifende Strategie der USA, um ihre dominante Stellung in Europa zu festigen. Dabei scheuen sie nicht davor zurück, durch geopolitische Manöver, wirtschaftlichen Druck und politische Einflussnahme ihre Position zu stärken. Europa steht nun an einem kritischen Wendepunkt seiner Geschichte.
Mehr zum Thema – “Zum Teufel mit dem Rest der Welt” – Langzeitstrategie und unipolarer Anspruch der USA