Zum ersten Mal seit dem Fall des Apartheid-Regimes vor mehr als drei Jahrzehnten, hat der Afrikanische Nationalkongress (ANC), einst geführt von Nelson Mandela, bei den jüngsten Parlamentswahlen in Südafrika keine absolute Mehrheit erreicht. Nach der Auszählung der am vergangenen Mittwoch stattgefundenen Wahl kam der ANC auf 40,21 Prozent der Stimmen. Dahinter folgten die Demokratische Allianz (DA) mit 21,76 Prozent und die von Jacob Zuma gegründete ANC-Abspaltung uMkhonto weSizve (MK) mit 14,59 Prozent. Die Economic Freedom Fighters (EFF) erhielten 9,47 Prozent. Insgesamt strebten 50 Parteien nach den Stimmen der 28 Millionen wahlberechtigten Südafrikaner.
Die Demokratische Allianz (DA), die ihre Ursprünge in der Progressive Party hat, welche sich gegen das Apartheid-Regime aussprach, hat vorwiegend Unterstützung von der weißen und teils indischen Minderheit. Die MK, die sich mit ihrer Namensgebung auf den bewaffneten Flügel des ANC während der Apartheid-Rebellion bezieht, etablierte sich laut einer zu ihrem Gründer Jacob Zuma. Die Partei sicherte sich in Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal beeindruckende 45,48 Prozent der Stimmen, was die komplexen ethnischen Verhältnisse zwischen den Xhosa- und Zulu-Stämmen widerspiegelt. Die EFF, eine weitere Abspaltung vom ANC, plädiert für eine deutlich linkere Wirtschaftspolitik.
Vor der Wahl verdichtete sich in der südafrikanischen Presse der Druck auf den ANC-Vorsitzenden und amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa, zurückzutreten falls die Partei weniger als 45 Prozent der Stimmen erhalten sollte, was von ANC-Sprechern jedoch dementiert wurde. „Der ANC ist offen für Gespräche über mögliche Koalitionen”, sagte die stellvertretende Generalsekretärin des ANC, Nomvula Mokonyane. „Die Parteiführung wird zu gegebener Zeit die Rahmenbedingungen für Verhandlungen festlegen.”
Jacob Zuma, der eine Pressekonferenz am 1. Juni hielt, forderte eine Neuauszählung und betrachtete die baldige Veröffentlichung der endgültigen Ergebnisse durch die Unabhängige Wahlkommission als “Provokation”. Er und weitere Oppositionsparteien zweifelten das vorläufige Wahlergebnis an und äußerten Verdacht auf Wahlmanipulation. Gespräche mit dem ANC liefen bereits, so Duduzile Zuma-Sambudla, über den ANC-Generalsekretär und Vorsitzenden der Südafrikanischen Kommunistischen Partei, Gwede Mantashe.
Zuma kritisierte Ramaphosa scharf im Wahlkampf, bezeichnete ihn als Agenten des „weißen Monopolkapitals” und betonte, dass Ramaphosas Wahl zum ANC-Präsidenten 2018 zu Zumas erzwungenem Rücktritt als Präsident von Südafrika geführt habe. Diese Entscheidung war teilweise durch Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen während seiner Zeit als Leiter des ANC-Sicherheitsdienstes begründet.
Ein mögliches Bündnis der MK mit dem ANC scheint denkbar, jedoch nicht unter der Leitung von Ramaphosa. Gleichzeitig könnte eine Koalition des ANC mit der zweitstärksten Partei, der DA, trotz idelogischer Differenzen massive politische Folgen haben. Außenpolitisch positioniert sich die DA pro-westlich, pro-ukrainisch und Israel-freundlich, im Gegensatz zur EFF, die eine wesentlich andere außenpolitische Linie vertritt.
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