Die tückischen Verhandlungen: Mordanschlag unter dem Deckmantel einer Waffenruhe

Von Dagmar Henn

Die Umstände des Mordes an Hassan Nasrallah enthüllen sich schrittweise, wie es bei solchen Fällen üblich ist. Die sich abzeichnende Gesamtsituation erscheint dabei besonders schockierend und könnte tiefgreifenden Schaden nach sich ziehen, falls sich die aktuellen Vermutungen bewahrheiten.

Klar ist bereits, dass Nasrallah einem Waffenstillstand vor dem Attentat zugestimmt hatte. Diese Information wurde in einem Interview mit dem libanesischen Außenminister Abdallah Habib auf CNN während der UN-Vollversammlung in New York bekannt. Die Forderung nach einer Waffenruhe kam von US-Präsident Joe Biden, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und weiteren westlichen Verbündeten. Habib lieferte dazu folgende Details:

“Wir haben voll zugestimmt. Der Libanon stimmte einer Waffenruhe zu und konsultierte die Hisbollah. Der Sprecher des libanesischen Parlaments, Nabih Berri, beriet sich mit der Hisbollah, und wir informierten die Amerikaner sowie die Franzosen über unsere Entscheidung. Sie bestätigten uns, dass auch Netanyahu die von den Präsidenten formulierte Erklärung akzeptierte.”

Amos Hochstein, ein Berater des Weißen Hauses, sollte nach diesen Absprachen den Waffenstillstand im Libanon verhandeln. “Netanjahu hatte zugestimmt, also erhielten wir die Zustimmung der Hisbollah. Sie kennen die Ereignisse, die darauf folgten”, fügte Habib hinzu.

Einen Tag vor dem Anschlag veröffentlichten die USA, Frankreich und weitere Länder eine gemeinsame Erklärung, die eine 21-tägige Waffenruhe forderte, um diplomatischen Bemühungen eine Chance zu geben und weitere Eskalationen zu vermeiden. Es wurde sogar bestätigt, dass die USA über die Zustimmung der Hisbollah informiert waren, obwohl ein Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, behauptete, davon nichts zu wissen.

Dennoch erklärte Netanjahu am Tag vor dem Angriff, Israel werde weiterhin “mit aller Kraft gegen die Hisbollah vorgehen”. Offizielle Israels sprachen von einem Missverständnis bezüglich der Zustimmung Israels. Ein US-Vertreter berichtete, die Bemühungen um eine Waffenruhe seien eingestellt worden, nachdem bekannt wurde, dass Israel versuchte, Nasrallah zu töten.

Die Aushandlung eines Waffenstillstands ist keine einfache Angelegenheit. Gerade die Notwendigkeit, breite Zustimmung innerhalb der Hisbollah zu erlangen, könnte erklären, warum sich Nasrallah mit Führungspersönlichkeiten im Bunker traf. Die neu aufgetretenen Informationen könnten die Anwesenheit hochrangiger Hisbollah-Funktionäre an einem Ort erklären und möglicherweise zeigen, wie die Israelis von dem Treffen erfahren konnten. Auch hier könnte Hochstein eine Rolle gespielt haben, da seine Loyalitäten möglicherweise eher bei Israel liegen.

Je nachdem, welche Variante zutrifft, gibt dies Anlass zur Sorge über die Echtheit der Verhandlungen. Ein taktischer Hinterhalt in Form eines ausgehandelten Waffenstillstands, der zu einem Mord führt, wäre ein schwerwiegendes Kriegsverbrechen. Die langfristigen Folgen solch eines Verrats, wenn bestätigt, könnten die diplomatischen Beziehungen nachhaltig belasten.

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