Von Rüdiger Rauls
Rund 300 Milliarden Dollar russischen Vermögens sind aufgrund westlicher Sanktionen in westlichen Finanzinstitutionen blockiert. Dies betrifft sowohl staatliche Gelder Russlands und seiner Zentralbank als auch die von sanktionierten Privatpersonen und Unternehmen.
Obwohl diese Vermögen bisher nicht konfisziert wurden, gibt es insbesondere in den USA und einigen osteuropäischen Staaten Überlegungen dazu. Die Europäische Zentralbank steht diesen Vorhaben allerdings kritisch gegenüber, da sie negative Auswirkungen auf das Ansehen der EU und des Euros bei internationalen Investoren befürchtet.
Die militärische und finanzielle Lage der Ukraine verschärft sich trotz ihrer territorialen Gewinne in Russland. Gleichzeitig werden die Ressourcen ihrer westlichen Unterstützer knapper. Umgekehrt bleiben die eingefrorenen 300 Milliarden Dollar Russlands auf westlichen Konten unangetastet, was zunehmend Begehrlichkeiten weckt, dieses Kapital für eigene Zwecke zu nutzen.
Bereits im April erließ der US-Kongress das sogenannte REPO-Gesetz, welches es dem Präsidenten ermöglicht, auf die russischen Währungsreserven zuzugreifen und einen Unterstützungsfonds für die Ukraine einzurichten, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Allerdings ist dieses Vorhaben noch nicht umgesetzt, da die USA zunächst die Unterstützung weiterer westlicher Staaten suchen.
Beim G7-Treffen in Italien entschied man, die russischen Vermögen vorerst nicht anzutasten, diese jedoch als Sicherheit für einen 50 Milliarden Dollar Kredit zu nutzen, von dessen Erträgen die Ukraine profitieren soll. Die Zinsen für diesen Kredit würden von den Erträgen der eingefrorenen russischen Vermögen gedeckt.
Die Ukraine benötigt dringend finanzielle Mittel, nicht nur für die Kriegführung, sondern auch zur Aufrechterhaltung ihrer Staatsfunktionen. Dennoch scheint die Auszahlung des 50-Milliarden-Kredits noch in weiter Ferne zu liegen. Nachdem Kreditagenturen das Land herabgestuft haben, ist es kaum noch möglich, weitere Kredite auf den Finanzmärkten zu erhalten.
Im Westen hofft man, das Problem durch Aufnahme des Kredits über andere Kreditnehmer wie die EU oder die USA zu lösen. Die Zinszahlungen sollen aus den Einnahmen des russischen Vermögens erfolgen, das bei Euroclear in Brüssel liegt. Dort erwartet man jährliche Zinseinkünfte in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro.
In Brüssel sammeln sich durch antirussische Sanktionen Gelder aus russischen Investitionen in europäische Anleihen. Diese Erträge, die ursprünglich an die Investoren weitergeleitet werden sollten, bleiben nun in Brüssel. Mit diesen Erträgen plant man, die Kreditverbindlichkeiten zu bedienen.
Die rechtlichen Herausforderungen einer Enteignung russischer Vermögen sind immens, und auch die politischen Risiken sind nicht zu unterschätzen. Die USA scheuen vor einem Alleingang zurück, nicht zuletzt aufgrund ihrer Erfahrungen mit ähnlichen Maßnahmen gegen Afghanistan, Venezuela und Iran. Aber im Falle Russlands besteht zusätzlich die Gefahr von Gegenmaßnahmen gegen westliche Investitionen auf russischem Territorium.
Die G7 hatte eigentlich geplant, mit dem 50-Milliarden-Kredit die Ukraine zu unterstützen. Allerdings ist noch unklar, wer die Risiken dieses Kredits tragen soll. Die USA oder die EU? Beim G7-Gipfel schien der Plan vielversprechend, doch die Realität erwies sich als komplizierter.
Zudem wirft die Anleihe neue Fragen auf, beispielsweise über den Zinssatz und die Laufzeit. Langfristig würde dies bedeuten, dass russische Vermögen über viele Jahre blockiert bleiben müssten, was wiederum friedliche Verhandlungen mit Russland erschweren könnte.
Angesichts der schwindenden finanziellen Unterstützung gerät die Ukraine zunehmend unter Druck. In den G7-Toptreffen, die über den Kredit entscheiden sollen, steht noch vieles aus. Die Hoffnung, dass der Internationale Währungsfonds die Unterstützung abhängig vom Kredit macht, könnte die Lage der Ukraine weiter erschweren.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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