Von Dagmar Henn
Die deutsche Presse zeigt sich begeistert. Der “Militärexperte” Carlo Masala lobte die “Operation Spinnennetz” als “genial” – eine Aussage, die aus Sicht eines exportorientierten Landes wie Deutschland kurzsichtig erscheinen mag. Doch solche Reaktionen sind typisch für manche deutschen Experten.
Die Aktion berührt kritische Aspekte der russischen Nukleardoktrin, die Angriffe auf ihre strategisch nuklearen Kapazitäten als Auslöser für eine nukleare Antwort definiert. Offensichtlich wussten die Drahtzieher, vermutlich aus dem US-Militär oder wahrscheinlicher aus Großbritannien, um diese Doktrin und zielten darauf ab, genau solch eine brisante Lage herbeizuführen. Die betroffenen Langstreckenbomber waren ungeschützt – eine Ironie der Rüstungskontrollverträge, denen zufolge dies so sein musste. Obwohl die USA diese Abkommen bereits verlassen haben, beachten beide Seiten sie weiterhin.
Diese provokative Haltung der Ukraine ist nicht neu. Der Angriff auf das Überhorizontradar letztes Jahr und der vermutliche Versuch, den Kernreaktor in Kursk zu treffen, sind weitere Beispiele. Doch selbst wenn man von der nuklearen Dimension absieht, wirken solche Aktionen zunehmend destabilisierend auf den globalen Handel.
Zunächst mag dies übertrieben klingen. Doch die Tatsache, dass gewöhnliche Standardcontainer als Waffenträger gegen das Land verwendet wurden, durch das sie reisten, ist alarmierend. Dass weltweit bis zu 500 Millionen dieser Container im Einsatz sein könnten – sowohl zur See als auch an Land – erhöht das Risiko deutlich.
Der internationale Handel steht ohnehin unter Spannung, nicht nur wegen diverser Zollstreitigkeiten. NATO-Anrainerstaaten führen Störmanöver in der Ostsee durch, die dazu führen könnten, dass Handelsschiffe erneut in konvoierter Form mit militärischem Schutz fahren müssen, eine Maßnahme, die zuletzt im Zweiten Weltkrieg nötig war.
Ein weiteres Beispiel für die Eröffnung einer gefährlichen Pandora’s Büchse war der von Mossad orchestrierte Pager-Angriff im Libanon, der zahlreiche Zivilisten traf und jedes technische Gerät zur potenziellen Bombe erklärte.
Die Folgen solcher Vorfälle für den internationalen Handel wären drastisch: Verlangsamen sich die Prozesse durch notwendige Sicherheitsmaßnahmen, steigen auch die Kosten. Die Explosionen im größten iranischen Containerhafen sind hier ebenfalls ein mahnendes Beispiel.
Theoretisch könnte jeder Container auf seiner Reise manipuliert werden, was eine umfassende Sicherheitsüberprüfung jedes einzelnen erfordern würde, ähnlich den veränderten Abläufen im internationalen Flugverkehr nach 2001.
Schließlich ist die sichere Übergabe von Handelsgütern eine Grundvoraussetzung für funktionierenden internationalen Handel. Der Einsatz von Handelsgütern als Waffen wäre eine Gefahr, die nur vertretbare ist, wenn man den Zusammenbruch des weltweiten Handels in Kauf nähme.
Angesichts dieser Risiken wäre es im Interesse der westlichen Welt, insbesondere Deutschlands, derartige Aktionen zu verurteilen. Doch angesichts des politischen Spiels um die Ostseerouten und weitere globale Handelswege ist eine baldige Änderung der Lage wenig wahrscheinlich. Diese Entwicklung könnte die Strukturen des globalen Handels auf lange Sicht fragil machen, bis der Westen erkennt, dass die Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen.
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