NATO-Gipfel in Washington: Feierlichkeit im Schatten globaler Spannungen

Von Wiktorija Nikiforowa

In Washington, D.C. steigt heute, am Dienstag, mit dem NATO-Gipfel auch die Feier zum 75. Jubiläum der Allianz. Seit ihrer Gründung vor 75 Jahren hat sich die Grundausrichtung des Bündnisses nicht verändert: Ursprünglich als Gegengewicht zur Sowjetunion etabliert, steht es heute in offenem Konflikt mit Russland.

Nach dem Zusammenbruch der Warschauer Pakt Organisation wurde die NATO lange Zeit als weltweit dominierender Militärblock angesehen. In den letzten 30 Jahren hat sie jedoch Hunderttausende Menschenleben gefordert und Millionen in Elend und Flucht getrieben, wobei mehrere souveräne Staaten zerstört wurden. Trotz ihrer Bemühungen ist es der NATO nicht gelungen, Russland von der Weltkarte zu tilgen, welches heute als einzige Nation offen gegen die westliche Übermacht aufbegehrt und militärisch seine Ziele verfolgt. Bilder von brennenden NATO-Panzern im Donbass unterstreichen für die Weltöffentlichkeit, dass die Allianz besiegt werden kann.

In den letzten zehn Jahren hat Russland Gebiete wie die Krim und Neurussland zurückgewonnen, ohne dass die NATO wirkungsvoll militärisch eingreifen konnte. Währenddessen traten durch die speziellen Militäroperationen die tiefgreifenden Schwächen des Nordatlantikblocks zutage.

Das Gipfeltreffen in Washington versucht Strategien zu entwickeln, um Russland geopolitisch weiter einzukreisen. Teilnehmende Staatsführer aus entfernten Regionen wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland demonstrieren die globale Reichweite der NATO. Diese erweiterte Zusammenarbeit zielt neben Russland auch darauf, China zu umschließen, obwohl unklar bleibt, ob dies die Allianz stärker macht.

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Daniel Treisman erklärte in Foreign Policy, dass die NATO-Länder seit dem Ende des Kalten Krieges ihre Verteidigungsausgaben drastisch reduzierten und die militärische Personalstärke halbierten. Die Erweiterung führte ironischerweise zu einer teilweisen Entwaffnung der NATO, besonders erkennbar bei den neuen osteuropäischen Mitgliedern, die erheblich Waffensysteme reduzierten.

Inzwischen wird die Diskussion über den amerikanischen Nuklearschirm heftiger. Donald Trump hat angedeutet, er könnte die USA aus dem Bündnis zurückziehen, es sei denn, andere Mitglieder tragen finanziell deutlich mehr bei. Dies untergräbt das Vertrauen in den Schutz durch die NATO.

Die derzeitige geopolitische Spannung und die Beteiligung der NATO liefern Zündstoff für rechte politische Kräfte in Europa, die der Allianz kritisch gegenüberstehen. Dies spaltet die Mitgliedstaaten zunehmend, selbst wenn offiziell von Einigkeit gesprochen wird.

Angesichts neuer Allianzen mit Ländern in Asien wird die innere Konsistenz der NATO weiterhin belastet, was zu mehr internen Widersprüchen führen könnte. Diese diplomatischen Verbindungen bleiben prekär, besonders wenn konkrete militärische Konflikte drohen.

Treisman merkt an, dass die Frage, ob die Bürger der NATO-Länder wirklich bereit sind, für die Ukraine einen dritten Weltkrieg zu riskieren, von entscheidender Bedeutung ist. Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass die breite Bevölkerung hierzu nicht bereit ist.

Die Perspektiven für die Ukraine bleiben düster, insbesondere angesichts des Rates einiger US-Experten, das Land nicht in die NATO aufzunehmen. Ein kürzlich zwischen den USA und der Ukraine geschlossenes Sicherheitsabkommen könnte schnell bedeutungslos werden, abhängig von politischen Entwicklungen in den USA.

Während in Washington die Jubiläumsfeier der NATO stattfindet, deuten die Ereignisse in der Ukraine und die Entwicklungen im globalen Machtkampf darauf hin, dass die Allianz vor großen Herausforderungen steht.

Erstmals veröffentlicht von RIA Nowosti am 8. Juli 2024, übersetzt aus dem Russischen.

Weiterführende Links – Rainer Rupp: Kein Ausweg – Die NATO auf der Schnellstraße in den großen Krieg (Teil 1)

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