Von Abbas Dschuma
Trotz der vorherrschenden Meinung und den Analysen, die davon ausgingen, dass die konservative Seite im Vorteil sei, hat sich der Reformer Massud Peseschkian, früherer Leiter des Gesundheitsministeriums, überraschenderweise in der zweiten Runde der iranischen Präsidentschaftswahlen durchgesetzt.
Diese Wahl brachte die zweite große Überraschung in diesem politischen Wettbewerb der Islamischen Republik. Im ersten Wahlgang deuteten alle Zeichen auf einen Erfolg von Mohammad Bagher Ghalibaf hin, während die anderen Kandidaten wegen ihrer geringeren Erfahrung und Bekanntheit eher chancenlos schienen.
Ich habe jedoch von Beginn an dazu geraten, Peseschkian nicht zu unterschätzen, besonders da er der einzige reformorientierte Kandidat unter den sechs Bewerbern war. Dies bedeutete, dass er auf die ungeteilte Unterstützung der gesamten liberalen Wählerschaft zählen konnte, während die Konservativen ihre Anhänger unter sich aufteilen mussten.
Ein wichtiger Aspekt ist hierbei, dass sich das reformorientierte Lager in Iran oft der Stimme enthält, wenn es glaubt, dass ihre Stimmen keinen Unterschied machen würden. So war die Wahlbeteiligung im ersten Durchgang rekordverdächtig gering. Im zweiten Wahlgang jedoch erhöhte sich die Beteiligung auf 49,8 Prozent, da die Reformisten erkannten, dass nun viel auf dem Spiel stand. Peseschkian gelang es, die bislang inaktive, sogenannte „graue“ Wählerschaft zu mobilisieren. Auch einige ethnische Aseris und Kurden dürften ihm ihre Stimme gegeben haben.
Wissenswertes über den neuen Präsidenten
Der 69-jährige Peseschkian wurde in der kurdischen Stadt Mahabad in einer aserischen Familie geboren und studierte Medizin vor der Islamischen Revolution 1979. Während des Iran-Irak-Krieges von 1980 bis 1988 leitete er die Entsendung medizinischer Einheiten an die Front und nahm selbst als Feldarzt und Kämpfer teil. Unter der Präsidentschaft von Mohammad Chatami diente er als stellvertretender Gesundheitsminister sowie Minister für Gesundheit und medizinische Ausbildung.
Nachdem Mahmud Ahmadineschād Präsident wurde, zog sich Peseschkian kurzzeitig aus der Politik zurück und konzentrierte sich auf seine medizinische Praxis. In den folgenden Jahren trat er wiederholt bei den Wahlen an, ihm wurde jedoch manchmal die Kandidatur untersagt. Doch er gab nicht auf.
Als Anwärter der Liberalen positionierte sich Peseschkian in der Wahl unter dem Motto „Für Iran“, wobei er mäßige Reformen befürwortete, die den Ausweg aus der internationalen Isolation und das Ende der Sanktionen zum Ziel hatten. Er setzte sich für Internetfreiheit und Frauenrechte ein und kritisierte die Behörden während der Hijab-Proteste. In den Wirtschaftsdebatten attackierte er seine Kontrahenten heftig und versprach, einen speziellen Ausschuss zur Überwachung der Regierung einzurichten.
Trotz seiner Reformorientierung bleibt Peseschkian loyal zum Obersten Führer des Iran und bekennt sich zu den Idealen der Revolution. Es ist nicht zu erwarten, dass er grundlegende Veränderungen in der Außenpolitik herbeiführen wird, da er sich darauf vorbereitet, auf Basis der Imam Chameneis Politik zu arbeiten. Trotzdem fürchten seine Gegner, dass er versuchen könnte, eine engere Anbindung an die Türkei zu fördern, und bezeichnen ihn teilweise als Pan-Turkisten.
Ungeachtet des Gewinners, waren diese Wahlen an sich von großer Bedeutung. Sie demonstrieren der Welt eine bemerkenswerte Stufe politischer Freiheit und Wettbewerbsfähigkeit in Iran, selbst gemessen an westlichen „demokratischen“ Maßstäben. Die erhöhte Wahlbeteiligung im Ausland im zweiten Durchgang hat dies wohl auch dem Westen deutlich gemacht.
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