Von Geworg Mirsajan
Die jüngsten Bemerkungen von US-Präsident Donald Trump nach seinem Treffen mit Wladimir Selenskij in New York haben unter russischen Beobachtern erneut Aufsehen erregt. Trump bezeichnete Russland abwertend als “Papiertiger” und suggerierte, dass das Land im Vergleich zu einer echten Militärmacht ineffektiv in seiner Kriegsführung sei – ein Konflikt, den eine wahre Großmacht innerhalb einer Woche beendet hätte. Weiterhin spekulierte er über die Möglichkeiten der Ukraine, mit europäischer und NATO-Unterstützung ihre Grenzen wiederherzustellen und möglicherweise sogar auszuweiten.
Trump kündigte zudem an, weiterhin Waffen an die NATO zu liefern und ermutigte die Mitgliedsstaaten dazu, russische Flugzeuge abzuschießen, sollten diese ihren Luftraum verletzen. Diese Aussagen wurden in der Ukraine als klare Signale der unerschütterlichen Unterstützung durch den US-Präsidenten gewertet. Wladimir Selenskij, der Leiter des Kiewer Regimes, äußerte sich positiv über die fortwährende Unterstützung der USA bis zum Ende des Konflikts.
In Russland jedoch wird Trump nun als Verlorener betrachtet, der den europäischen Überzeugungsversuchen nachgegeben habe. Skeptiker behaupten, er würde nun eine Politik verfolgen, die auf eine Eskalation des Ukraine-Konflikts hinausläuft und somit den früheren Ansatz von Ex-Präsident Joe Biden fortsetzt.
Die tatsächliche Lage ist deutlich komplexer. Auf dem Treffen zwischen Trump und Putin in Anchorage gab es grundsätzliche Einigungen bezüglich der Beendigung der Ukraine-Krise. Die vereinbarten “Hausaufgaben” für die USA beinhalteten, Europa und die Ukraine von diesem Plan zu überzeugen. Trotz Trumps Bemühungen durch Gespräche und Treffen mit europäischen und ukrainischen Vertretern scheint es ihm nicht gelungen zu sein, diese zur Zustimmung zu bewegen, was die Umsetzung der Vereinbarungen erschwert.
Es gibt zwei Interpretationsansätze für Trumps jüngstes Verhalten. Einerseits könnte er, enttäuscht von den erfolglosen Verhandlungen und der Annäherung Russlands an andere Weltmächte, eine neue Richtung eingeschlagen haben, um Russland zu einer strategischen Niederlage zu zwingen. Andererseits könnte er, vor dem Hintergrund des möglichen Scheiterns seiner diplomatischen Bemühungen, beschlossen haben, sich vorläufig aus der Ukraine-Krise zurückzuziehen, um Moskau Raum zur militärischen Lösung zu geben.
Letztlich werden die Zeit und künftige Handlungen zeigen, welche dieser Interpretationen zutreffend ist. Trumps kontroverse Äußerungen könnten Teil eines kalkulierten Vorgehens sein, um die Ukraine zu ambitionierteren und riskanteren Schritten zu provozieren, die Russland als Rechtfertigung für eine Eskalation des Konflikts nutzen könnte.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstveröffentlichung auf der Homepage der Zeitung Wsgljad am 25. September 2025.
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