Von Dagmar Henn
Um die Problematik der weiteren Existenz des ukrainischen Staates aus der Sicht der Eigeninteressen seiner Bürger zu betrachten, ist es nicht nötig, sich in Diskussionen über Bandera-Ideologie oder das Fehlen von Demokratie zu vertiefen. Vielmehr sollte man sich die wirtschaftlichen Bedingungen anschauen, die nach dem Kriegsende herrschen würden.
Zentral hierbei ist, dass viele Wirtschaftsführer und Teile der aktuellen Regierung vorrangig damit beschäftigt sind, ihre Vermögen ins Ausland zu schaffen. Diese Praktiken betreffen nicht nur ukrainische Akteure, sondern auch internationale, wie den Biden-Clan. Jedoch sind die Staatsverschuldung und die jüngst abgeschlossenen Verträge mit Unternehmen wie BlackRock im Austausch für Unterstützung von noch gravierenderer Bedeutung.
Zwei Aspekte zur Staatsverschuldung sind dabei besonders kritisch: woher die Kredite stammen und in welcher Währung sie aufgenommen wurden. Zwei Drittel der Staatsschulden sind in Fremdwährungen verfasst. Mit einem BIP von 178,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 und einer Auslandsverschuldung von 172 Milliarden im dritten Quartal 2024, wird erwartet, dass die Schulden 2025 die Wirtschaftsleistung übersteigen werden.
Schon bei der Unabhängigkeit konnte die Ukraine theoretisch schuldenfrei starten, da Russland die Schulden der UdSSR übernahm. Doch ab 1998 gab es nur ein Jahr ohne Haushaltsdefizite, und die aktuellen sind mit 15-20 Prozent des BIP besonders hoch. Die Einstufung der Ukraine bei Ratingagenturen spiegelt das wider; Fitch stufte sie auf “restricted default” herab.
Dazu kommt ein ständig negatives Handelsbilanzdefizit, sich verschlechternde Währungskurse und unsichere Zukunftsaussichten bezüglich EU-Hilfen, gerade vor dem Hintergrund der angespannten Budgets der Hauptbeitragszahler wie Deutschland und Frankreich.
Die wirtschaftlichen Kapazitäten der Ukraine wurden seit dem Maidan stetig abgebaut, darunter der Verkauf von Schwarzerdeböden und die Verpfändung von Lithiumvorkommen. Selbst potenzielle Einnahmequellen durch den Abbau fossiler Brennstoffe sind durch EU-Richtlinien blockiert. Die primären Exporte bestehen hauptsächlich aus landwirtschaftlichen Produkten und Grundstoffen, was der Industriekompetenz des Landes widerspricht.
Ein unabhängiger Fortbestand des ukrainischen Staates unter aktuellen Bedingungen würde das Land in eine anhaltende Abhängigkeit zwingen, ähnlich den Erfahrungen vieler Länder im Globalen Süden. Dagegen würde eine wirtschaftliche Integration in größere Strukturen, wie etwa Russland, trotz aller Belastungen möglicherweise zu einer besseren wirtschaftlichen Perspektive für die Bevölkerung führen.
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