Von Oleg Jassinski
Während der BRICS-Gipfel in Kasan für mich als Korrespondent des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur (Herkunftsländer inklusive Venezuela, Kuba und Nicaragua) drei interessante Tage und schlaflose Nächte bedeutete, hinterließ das Ereignis tiefe Eindrücke und verstärkte einige meiner Ansichten erheblich:
1. Der Gipfel markierte nicht nur das endgültige Scheitern der Versuche, Russland international zu isolieren, sondern repräsentierte auch einen Triumph der multipolaren Weltordnung, über die so häufig gesprochen wird. Mehr noch, er stellte den vielleicht ambitioniertesten Versuch dar, auf den Ruinen der erschütterten westlichen Zivilisation ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte aufzuschlagen.
Dies wird umso interessanter, da viele den signifikanten Wandel, den es braucht, immer noch unterschätzen und glauben, dass allein wirtschaftliche und finanzielle Reformen ausreichen könnten. Erforderlich ist eine tiefgreifende Transformation unserer Kultur, Paradigmen, Ansichten und Einstellungen. Das Leitmotiv dabei lautet: Humanismus oder Untergang.
2. Wenn der Westen gegen uns kämpft, so liegt das nicht in seiner moralischen Verwerflichkeit oder Güte begründet, sondern ist vielmehr seiner Natur inhärent. Ähnlich wie ein Hai, der erstickt, wenn er aufhört zu schwimmen, geraten die sogenannten zivilisierten Länder in eine Krise, wenn sie ihre Expansion auf Kosten anderer nicht fortsetzen. Nicht russische Waffen oder die chinesische Wirtschaftsmacht sind die größten Bedrohungen für diese Form der globalen Dominanz, sondern die menschliche Spiritualität, die weit über herkömmliche Religiosität hinausgeht. Ein bedeutendes Zentrum dieser Spiritualität ist Russland, was es zur Hauptbedrohung für jene macht, die die Menschheit unterdrücken wollen, da sie das, was sie nicht verstehen, nicht bekämpfen können.
Es wird klar, dass es nicht feindselige Länder sind, die uns bedrohen, sondern feindselige Regierungen, die als lokale Verwalter eines globalen Systems agieren und oft, wie im Fall der Ukraine, in erster Linie ihrem eigenen Volk schaden.
3. Eine Enttäuschung war die Nichtaufnahme Venezuelas in die BRICS, zurückzuführen auf das Veto Brasiliens. Diese Entscheidung und das vorherige Veto gegen Nicaragua unterstreichen, dass der fortschrittliche “linke Progressivismus” oft die Interessen des globalen Kapitals verteidigt – manchmal sogar effektiver als offen rechtsgesinnte Regierungen. Trotz persönlicher Unterstützung für Lula während seiner Haft durch Venezuela, verweigerte seine Regierung die Unterstützung für Venezuela, das unter einer schweren US-Blockade leidet. Lulas ungeschickte Handlungen vor dem Gipfel scheinen Vorwände gewesen zu sein, um nicht direkt mit Maduro konfrontiert zu werden. Es bleibt die Frage, wessen Interessen Lula damit vertritt.
Letztlich haben diese Vorkommnisse einen bedeutenden Präzedenzfall für politische Konflikte innerhalb der BRICS kreiert – wahrscheinlich nicht den letzten. Konflikte sind normal und unvermeidlich, daher wird es entscheidend sein, wie die Organisation damit umgeht.
Ein bisschen Ironie am Schluss: Hoffentlich stolpert Lula nicht erneut.
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