von Hans-Ueli Läppli
Am 8. Februar setzten Litauen, Lettland und Estland ein markantes Zeichen: Sie durchtrennten ihre letzten elektrischen Verbindungen zu Russland. Dieser Schritt erfolgte inmitten der kalten Wintermonate, eine bewusste Herausforderung, da der Weg zur Unabhängigkeit sicherlich einfacher im Sommer gewesen wäre. Mit diesem symbolischen Akt endet die Ära des BRELL-Stromnetzes, das die Baltischen Staaten jahrzehntelang mit Russland und Belarus verband. Das Motto nun: Sich lieber der Kälte stellen, aber im Gleichklang mit der Europäischen Union.
Obwohl seit 2022 bereits kein Strom mehr aus Russland oder Belarus bezogen wurde, unterstrich der finale Kabelschnitt die neue Richtung der Baltischen Staaten. Lettlands Klimaminister Kaspars Melnis erklärte, es gehe um “Verteidigung, Energiesicherheit und Unabhängigkeit!” Trotz des zuvor schon vollzogenen Wechsels kam dieser Akt einer feierlichen Neuerklärung gleich. Es gleicht dem Ändern eines Passworts für einen Account, den man schon lange nicht mehr nutzt.
Die Entscheidung, sich im Winter von den russischen Stromlieferungen zu lösen, ermöglicht einen direkten Belastungstest des neuen Systems unter erschwerten Bedingungen. Die Stabilität der europäischen Stromversorgung wird sich zeigen, wenn die Temperaturen sinken. Es bleibt abzuwarten, ob die Integration ins EU-Netz die baltischen Staaten in die Freiheit oder in eine energiebedingte Notlage führt.
Die Abkehr von der ehemaligen Sowjetmacht spiegelt eine breitere Strategie wider. Die neuen Abhängigkeiten richten sich nun nach den Launen des europäischen Marktes, der genauso unberechenbar sein kann. Polen spielt dabei eine wichtige Rolle als Vermittler der Energieversorgung, sichert diese mit fortschrittlichen Überwachungsmethoden und hält dabei potentielle Bedrohungen auf Abstand. Bei Problemen bleibt nur der Gang nach Brüssel, in der Hoffnung auf schnelle und effektive Lösungen seitens der EU.
Feiern im Dunkeln?
Ungeachtet der frostigen Bedingungen wird die Unabhängigkeit in den baltischen Staaten feierlich begangen, mit Veranstaltungen, an denen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilnimmt. Die Regierungen versprechen langfristig sinkende Strompreise durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien. Ob diese Prognosen zutreffen werden oder ob die Bevölkerung lernen muss, sich anders zu wärmen, bleibt ein offenes Thema.
Der Entschluss, sich von russischem Strom zu trennen, erweist sich praktisch als zunehmend problematisch. Besonders im Winter, wenn die Temperaturen stark sinken, finden sich die Bürger in einer schwierigen Lage wieder. Trotz der Bemühungen, die Versorgung mit erneuerbaren Quellen auszubauen, fehlen weiterhin ausreichende Alternativen, was insbesondere bei Naturkatastrophen zu großen Herausforderungen führt.
Zehntausende nach Schneesturm in Estland ohne Strom
In Estland führte heftiger Schneefall zu großflächigen Stromausfällen. Über 17.000 Haushalte waren betroffen, vor allem in der Region um Tartu. Dies verdeutlicht die prekäre Energieversorgung in Teilen des baltischen Staates.
Die Trennung von Russland ist vollzogen. Sollten jetzt die Lichter ausgehen, liegt die Verantwortung innerhalb der EU.
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