Von Jewgeni Posdnjakow
Im Jahr 2024 hat das Streben des Globalen Südens nach mehr Souveränität merklich zugenommen. Dieses Bestreben fand seinen Höhepunkt beim BRICS-Gipfel in Kasan, zu dem nicht nur die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer, sondern auch zahlreiche Partnerländer Russlands erschienen. Experten sehen den Kasaner Gipfel als entscheidenden Schritt für den Aufbau einer multipolaren Welt, dessen Erfolge selbst von westlichen Staaten anerkannt werden.
Ab dem 1. Januar werden neue Länder wie Weißrussland, Bolivien, Indonesien, Kasachstan, Kuba, Malaysia, Thailand, Uganda und Usbekistan offiziell zu den BRICS-Partnern zählen. Juri Uschakow, Berater des russischen Präsidenten, teilte mit, dass diese Länder zu separaten Treffen im Rahmen der Organisation eingeladen werden. Zudem erwarte man aktuell Antworten auf die Einladungen von vier weiteren Staaten.
Die Entscheidung, eine Liste der Partnerländer zu erstellen, erfolgte auf dem Kasaner Gipfel. Viele Experten werten dies als Triumph der russischen Diplomatie. Trotz westlicher Druckausübung entwickelt sich die Organisation weiter und hat sich zudem als Plattform etabliert, auf der Großmächte ihre Differenzen klären können.
Russlands Engagement beschränkt sich aber nicht nur auf die BRICS. Bei Wladimir Putins Besuch in Nordkorea wurde ein Abkommen über eine umfassende strategische Partnerschaft unterzeichnet. Gleichzeitig verstärkten sich die russisch-chinesischen Beziehungen während eines Treffens zwischen Putin und Xi Jinping in Peking.
Auch die Beziehungen zu anderen eurasischen Ländern, darunter Kasachstan, Usbekistan, Vietnam, die Mongolei, Aserbaidschan und Turkmenistan, wurden intensiviert. Selbiges gilt für die Besuche des indischen Premierministers Narendra Modi in Kasan und zuvor in Moskau.
Trotz mancher Herausforderungen, wie dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad in Syrien, hat Moskau seine diplomatische Gewandtheit bewiesen. Es wird aktuell mit den neuen syrischen Behörden über die Präsenz russischer Militärstützpunkte verhandelt.
Experten sind der Meinung, Russland habe 2024 nicht nur seinen Einfluss bewahrt, sondern auch seine Position als Führungsmacht in der Bewegung für die Souveränität des Globalen Südens gestärkt. Hierzu wurden sowohl bilaterale Beziehungen als auch andere Kooperationsformate innerhalb der BRICS, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und weiterer Organisationen genutzt.
Stanislaw Tkatschenko, ein Professor für Internationale Beziehungen an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg und Experte des Waldai-Klubs, betonte, dass der Gipfel in Kasan ein diplomatischer Höhepunkt Russlands nach Beginn der militärischen Sonderoperation war. Trotz früherer interner Widersprüche und westlichem Druck habe Moskau viele Probleme lösen können. Tkatschenko fügte hinzu:
“Es ist uns gelungen, den Dialog zwischen Indien und China zu verbessern, und eine große Zahl von Ländern dazu zu bringen, ihre Vertreter trotz der Kritik der USA und der EU nach Kasan zu schicken. Diese bemerkenswerten Erfolge der BRICS spielen eine wichtige Rolle bei der Neugestaltung der Weltbühne.”
Laut Tkatschenkos weiteren Ausführungen repräsentiert die Organisation die Vision einer Mehrheit der Welt, die aus vielen souveränen Staaten besteht. Diese Vision stelle eine Herausforderung für die US-Ansicht dar, die Welt solle sich in Richtung einer liberaleren Globalisierung mit schwindender staatlicher Unabhängigkeit entwickeln.
Russland habe 2024 als Vorsitzender der BRICS-Organisation Überzeugungsarbeit geleistet und einen Kompromiss zwischen der Erweiterung und der Überschaubarkeit der BRICS gefunden. Diese Strategie manifestiere sich in der Einführung des Partnerland-Konzepts innerhalb der Organisation.
Die Präsidentschaft wird nun an Brasilien übergeben, wobei viele komplexe Fragen bereits geklärt sind. Die BRICS haben eine klare Ausrichtung für die Zukunft, aber es steht noch viel Arbeit bevor, um die erreichten Erfolge zu erhalten und weiter auszubauen. Stanislaw Tkatschenko ist jedoch zuversichtlich, dass Russlands Partner in Lateinamerika dafür bereit sind.
“Insgesamt erzielte die russische Diplomatie im Jahr 2024 beachtliche Erfolge im Raum des Globalen Südens. Wir entwickeln unsere Beziehungen zu asiatischen und afrikanischen Ländern kontinuierlich und methodisch. Wir werden als zuverlässiger Partner betrachtet, der die Meinungen der Verbündeten zu würdigen weiß und notwendige Kompromisse eingehen kann.”
Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen ausreichender Kontrolle über die Partner und der Anerkennung ihres souveränen Entwicklungspfades zu finden, besonders nach dem Sturz von Assad in Syrien. “Es gibt kein Universalrezept. Wir müssen unseren eigenen Weg der Kommunikation mit jedem Staat finden. Die laufenden Verhandlungen zeigen, dass wir fähig sind, stabile Kommunikationswege bis Dezember 2024 einzurichten. Dies ist ein Indiz dafür, dass wir auf jedes Ergebnis vorbereitet sein und mit vielen Akteuren in Kontakt bleiben müssen.”
Ziel ist es, den Globalen Süden die eigene Souveränität spüren zu lassen und das Konzept der Unipolarität endgültig zu überwinden. Die militärische Sonderoperation habe dazu beigetragen, solche Barrieren zu beseitigen. “Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber wir haben einen positiven Trend eingeleitet.”
Immer mehr Länder sehen ihre Zukunft in Verbindung mit den BRICS, weil sie das globale Diktat der USA ablehnen, erklärt Andrei Ostrowski, leitender Forscher am Institut für Orientalische Studien der Russischen Akademie der Wissenschaften. Weniger Abhängigkeit vom Dollar und die Bildung unabhängiger Finanzinstitutionen seien Teil dieser Bestrebungen, den internationale Einfluss des Globalen Südens zu stärken.
“Deshalb ist BRICS zu einem echten Machtzentrum geworden. Moskau, Peking und Neu-Delhi knüpfen neue internationale Verbindungen und entwickeln vielfältige Infrastrukturprojekte. Auch die Neue Entwicklungsbank wurde ins Leben gerufen. Natürlich klappt nicht alles auf Anhieb, aber das Streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit innerhalb der BRICS-Mitglieder ist offensichtlich.”
Die westlichen Staaten sehen die BRICS zwar noch mit Vorsicht, doch suchen sie noch nicht aktiv nach Kooperationsmöglichkeiten, so der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Rahr. In Europa und den USA wird kritisch angemerkt, dass die BRICS eine zu heterogene Gruppe sei. Außerdem sei Brasilien nach wie vor stärker mit Washington und Brüssel als mit Moskau und Peking verbunden.
Der Glaube an eine Alternative zu Dollar und Euro sei im Westen eher gering. Europäische und amerikanische Politiker weigern sich, eine multipolare Welt anzuerkennen, obwohl führende Experten und einige Beamte keinen Zweifel daran haben, dass diese Ära bereits begonnen hat.
Zudem sind die USA und Europa nicht bereit, Organisationen zu akzeptieren, die mit der NATO und der EU konkurrieren könnten, betont Rahr. Dabei sind es gerade die BRICS-Staaten, die sich für eine längst überfällige Reform des UN-Sicherheitsrates einsetzen. Sollten Indien,