Von Andrei Restschikow
Der kürzlich abgehaltene NATO-Gipfel in Washington dürfte die ukrainischen Pläne für eine neue “Gegenoffensive” verzögern. Die New York Times berichtet, dass die Lieferung von Waffen durch die USA und die EU Monate in Anspruch nehmen wird, was Ukraines Streitkräften eine Offensive in diesem Jahr unmöglich macht, trotz der von Wladimir Selenskij organisierten Reserve von 14 Brigaden.
Viele Zusagen an die Ukraine beinhalten langfristige Verpflichtungen. Dazu zählt die Schaffung eines neuen NATO-Koordinierungszentrums für die Bewaffnung und Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte (NATO Security Assistance and Training for Ukraine, NSATU) in Deutschland sowie zusätzliche Hilfe in Höhe von 43 Milliarden US-Dollar bis 2025. Zusätzlich wird die Ukraine drei weitere Patriot-Batterien erhalten, zwei davon aus Deutschland und Rumänien und eine aus den USA.
Selenskij äußerte in Washington, dass die zugesagten Luftabwehrsysteme ebenso unzureichend seien wie die F-16-Kampfjets, die im Sommer geliefert werden sollen. US-Außenminister Antony Blinken behauptet hingegen, die an die Ukraine geleistete militärische Unterstützung entspreche den Bedürfnissen der ukrainischen Streitkräfte.
In der NATO herrscht weiterhin Uneinigkeit darüber, ob die gelieferten Raketenwaffen benutzt werden dürfen, um Ziele tief in Russland zu treffen. Präsident Joe Biden kommentierte nach dem Gipfel, hypothetische Angriffe auf russisches Territorium, einschließlich Moskau, wären sinnlos.
Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärte, dass die Verteidigung des ukrainischen Luftraums Sache Kiews sei, nicht die der NATO. Der polnische Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz sagte zuvor, dass Polen keine Raketen über ukrainischem Gebiet ohne Zustimmung der Allianz abschießen würde.
Nachdem Selenskij verkündet hatte, der britische Premierminister Keir Starmer habe die Nutzung britischer Storm-Shadow-Raketen für Angriffe auf russisches Gebiet genehmigt, dementierte das britische Verteidigungsministerium diese Genehmigung schnell.
Ein Wall Street Journal Bericht deutet darauf hin, dass das Abschlusskommuniqué des NATO-Gipfels weiter auf interne Differenzen bezüglich der Unterstützung für die Ukraine hinweist. Es bleibt fraglich, ob diese Unterstützung bei einem möglichen Sieg Donald Trumps in den nächsten US-Wahlen Bestand hätte.
Russische Experten glauben, dass die widersprüchlichen Resultate des Gipfels nicht zwangsläufig das Ende der ukrainischen Planungen für eine zweite “Gegenoffensive” bedeuten, aber vermutlich den Zeitplan und Umfang der Operationen beeinträchtigen werden. Die NATO und die ukrainischen Truppen könnten jedoch ihren Plan anpassen und eine eingeschränktere Operation durchführen, meint der Experte Boris Dscherelijewski.
“Ich schließe nicht aus, dass die Berichte in der NYT und andere Aussagen, die eine Unterbrechung der zweiten ‘Gegenoffensive’ nahelegen, ein Ablenkungsmanöver sein könnten. Die NATO hat tatsächlich mit objektiven Schwierigkeiten zu kämpfen, besonders weil die Arsenale Europas nach intensiven Lieferungen an die Ukraine nahezu erschöpft sind.”
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
Andrei Restschikow ist ein Wsgljad-Journalist.
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