Wie Alexei Chochlow, Leiter der Abteilung für Polymer- und Kristallphysik an der Staatlichen Universität Moskau und Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, gegenüber RT erläuterte, gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Polymer-Nanopartikel besonders schädlich für lebende Organismen sind. Laut Chochlow sind Mikroplastikpartikel für den Menschen nicht gefährlicher als winzige Partikel aus Holz oder Beton, die in der Umwelt in deutlich höheren Mengen vorkommen.
RT: In jüngerer Zeit gab es viele wissenschaftliche Studien und Medienberichte über Mikroplastik. Was versteht man genau darunter?
Chochlow: Mikroplastik bezeichnet Fragmente von Polymermaterialien, die kleiner als 5 Millimeter sind. Diese Partikel können weiter in mikrometergroße Stücke zerfallen, zu denen auch Polymer-Nanopartikel gehören.
In der heutigen Zeit dominieren neue Materialien unseren Alltag. Vor hundert Jahren war die Polymerindustrie kaum vorhanden. Die massenhafte Nutzung von Kunststoffen begann in den 1950er Jahren, und heute produzieren wir jährlich rund 400 Millionen Tonnen verschiedener Kunststoffe weltweit.
Zu den gängigsten Polymeren zählen Polyethylen, Polypropylen, Polyethylenterephthalat, Polystyrol und Polyvinylchlorid. Diese Materialien finden breite Verwendung in der Herstellung von Plastikfolien und Verpackungen und sind aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken.
RT: Stimmt es, dass Mikroplastik ubiquitär ist, sogar in unseren Nahrungsmitteln und im Wasser zu finden ist?
Chochlow: Polymere bestehen aus langen Ketten von Monomereinheiten. Interessanterweise bestehen auch wir selbst aus Polymeren, zum Beispiel aus Proteinen und DNA- sowie RNA-Ketten. Partikel, sowohl natürlichen als auch künstlich hergestellten Ursprungs, finden ihren Weg in die Umwelt.
Partikel aus Staub, Sand und natürlichen Polymeren wie Zellulose können in Zellstrukturen eindringen. Holz, das im Grunde aus den Polymeren Zellulose und Lignin besteht, wird weltweit jährlich in einer Menge von etwa 2,5 Milliarden Tonnen produziert, während Kunststoffe nur 400 Millionen Tonnen ausmachen.
RT: Wie beeinflusst Mikroplastik lebende Zellen? Können die Partikel in Zellen eindringen und ihre Funktionen stören?
Chochlow: Durch Umwelteinflüsse zerfällt jedes Material in kleinere Partikel. Alle Nanopartikel, nicht nur Mikroplastik, können in den menschlichen Blutkreislauf gelangen. Beispielsweise zerfallen auch Mauern allmählich zu Staub und Sand, der dann in den menschlichen Körper eindringt. Es gibt keine Beweise dafür, dass Mikroplastik besonders schädlich ist.
Menschen leben seit Millionen von Jahren mit gewöhnlichem Staub zusammen, und dieser schadet uns nicht. Wenn ein Teilchen in den menschlichen Körper eindringt, wird es von biologischen Flüssigkeiten umhüllt, die Fragmente von Bakterien, Proteinen und anderen Substanzen enthalten. Um das Teilchen herum bildet sich eine Biokorona, eine Schicht aus diesen Fragmenten, die den menschlichen Körper vor Schäden schützt. Dieser Vorgang findet bei allen Partikeln statt, unabhängig von ihrer Beschaffenheit — auch bei Mikroplastik.
Insgesamt machen Kunststoffe nur 15 Prozent des Gesamtvolumens an festen Abfällen aus, was relativ wenig ist, und die Konzentration von Mikroplastik in unserer Umwelt bleibt gering. Laborstudien, die schädliche Effekte feststellen, erfolgen oft unter unrealistisch hohen Konzentrationen von Mikroplastik.
RT: Wenn die Einflüsse auf die Umwelt nicht gravierend sind, warum gibt es dann so viel Besorgnis darüber in Medien und Öffentlichkeit?
Chochlow: Die Medien benötigen oft Sensationsmeldungen. Die Vorstellung, dass Holzpartikel in menschliche Zellen eindringen können, verursacht keine Aufregung, weil Holz ein uns vertrauter und als harmlos angesehener Stoff ist. Synthetische Polymere jedoch wecken aufgrund ihrer Künstlichkeit und Neuheit Ängste, obwohl es keinen Hinweis darauf gibt, dass sie sich grundsätzlich anders verhalten als andere Partikel.
In Diskussionen geht es oft um die Abschaffung von Plastikflaschen, weil Mikroplastik ins Wasser gelangen könnte. Doch Untersuchungen zeigen, dass die Hauptquelle für Mikroplastik im Wasser Polyamide sind, die aus synthetischen Fasern in Textilien stammen. Beim Waschen dieser Textilien gelangen kleine Partikel ins Abwasser und schließlich in unsere Gewässer.
RT: Gibt es Alternativen zu Plastikbehältern, die sich nicht in Mikroplastik auflösen oder aus weniger schädlichen Partikeln bestehen?
Chochlow: Es gibt immer Alternativen, diese sind jedoch oftmals deutlich teurer. Im Gesundheitswesen beispielsweise ist die Situation komplexer. Man könnte zwar von Einwegspritzen und -handschuhen auf wiederverwendbare Modelle umsteigen, doch kann das in einigen Regionen, in denen der Zugang zu sauberem Wasser und adäquaten sanitären Anlagen fehlt, zu Gesundheitsrisiken führen.
Es ist kritisch, Kunststoffverpackungen nicht achtlos zu entsorgen, sondern ordnungsgemäß zu handhaben. Von den jährlich produzierten 400 Millionen Tonnen Kunststoff gelangen 300 Millionen Tonnen auf Mülldeponien oder in Verbrennungsanlagen, während 100 Millionen Tonnen nicht umweltgerecht verwaltet werden. Dies stellt ein bedeutendes Problem dar, das dringend gelöst werden muss.
Dabei sollte beachtet werden, dass viel Mikroplastik nicht aus Kunststoffutensilien oder Verpackungen, sondern von abgenutzten Autoreifen, gewaschener Kleidung, Stadtstaub und sogar Straßenmarkierungen oder Schiffsfarben stammt. Ein Verzicht auf das Autofahren und den Einsatz von Waschmaschinen wäre theoretisch eine Lösung, aber praktisch nicht durchführbar, da dies erhebliche Einschränkungen in unserer täglichen Hygiene und Infrastruktur bedeuten würde.