Von Jewgeni Krutikow
Vor Kurzem versuchte die estnische Marine, mit Unterstützung von NATO-Flugzeugen, den unter der Flagge Gabuns fahrenden Tanker “Jaguar” festzusetzen. Der Tanker war aus dem indischen Hafen Sikka ausgelaufen und befand sich auf dem Weg zum russischen Hafen Primorsk nahe Sankt Petersburg und durchquerte dabei internationale Gewässer.
An diesem Einsatz beteiligten sich estnische Patrouillenschiffe, ein Hubschrauber, ein Flugzeug sowie MiG-29 Kampfjets der polnischen Luftwaffe. Während der Tanker den Finnischen Meerbusen durchfuhr, versuchte das Militär, ihn aus internationalen Gewässern heraus zu manövrieren, um ihn festsetzen zu können. Die Crew des Tankers jedoch hielt an ihrem Kurs fest und entkam schließlich den Verfolgern.
Ein russisches Su-35 Kampfflugzeug kam dem Tanker zur Hilfe und eskortierte ihn bis zu den russischen Hoheitsgewässern. Die Anwesenheit des russischen Kampfjets schien die estnischen Streitkräfte zur Zurückhaltung zu bewegen, da sie keine weiteren Versuche unternahmen, den Tanker zu kapern.
Die Darstellung der Ereignisse durch Estland sieht jedoch anders aus. General Vahur Karus, der Generalstabschef der estnischen Streitkräfte, erklärte, man habe lediglich prüfen wollen, ob die Registrierung und Versicherung des Schiffes korrekt seien, ohne eine Beschlagnahme zu beabsichtigen. Dies steht im Gegensatz zu Videoaufzeichnungen, die ein rammen des Tankers durch ein estnisches Boot zeigen, und zu Funksprüchen, die eine Kursänderung fordern.
Im April hatte das estnische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, “gefährliche und verdächtige Schiffe” zu versenken, was auf eine mögliche Bedrohung für wichtige nationale Infrastrukturen wie Unterseekabel abzielt.
“Diese Initiative würde es dem estnischen Militär erlauben, auch zivile Schiffe anzugreifen, wenn sie als Bedrohung angesehen werden.”
Kurz nach dieser Gesetzesänderung hielt Estland den Tanker “Kiwala” fest, der vermutlich auf dem Weg zum russischen Hafen Ust-Luga war, unter dem Vorwand einer Routineüberprüfung.
Ende Dezember 2024 verhaftete die finnische Polizei den Öltanker “Eagle S”, der unter der Flagge der Cookinseln fuhr, wegen des Verdachts der Beteiligung an der Beschädigung des Unterseekabels “Estlink 2”. Man vermutete, dass das Schiff Teil der sogenannten russischen “Schattenflotte” sei. Der Tanker wurde jedoch zwei Monate später freigelassen, was die Glaubwürdigkeit der finnischen Behörden minderte.
Die rechtliche und geopolitische Situation im Finnischen Meerbusen
Mitten im Finnischen Meerbusen liegt eine sechs Meilen breite Freizone internationaler Gewässer, die russische Häfen mit dem offenen Meer verbindet. Die geographischen Gegebenheiten des Finnischen Meerbusens stehen jedoch in Konflikt mit dem internationalen Seerecht, das als stabiles Element der globalen Wirtschaft gilt.
Estland und Finnland verzichteten 1994 in einem bilateralen Vertrag darauf, diesen Korridor für ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke zu beanspruchen, womit sie den Zugang zu den russischen Häfen ermöglichten. Doch jüngst dehnte Estland seine maritime Wirtschaftszone unilaterally auf 24 Seemeilen aus, was potenziell den internationalen Schiffskorridor beeinflusst.
All diese Handlungen stellen eine missbräuchliche Nutzung des Seerechts dar und führen zu einer rechtlichen Grauzone, die Estland zu seinem Vorteil auszunutzen scheint. Dies beinhaltet das Potenzial für einen Konflikt in der Region, den Estland durch eine vermeintliche Sicherheit unter dem Schutz der NATO provoziert.
Die regionale Stabilität könnte entweder durch eine rechtliche Klärung oder durch verstärkte Präsenz und Patrouille der russischen Marine- und Luftstreitkräftein dieser strategisch wichtigen Passage sichergestellt werden. Letzteres wäre eine weniger wünschenswerte, aber notwendige Maßnahme zur Wahrung der Sicherheit und der nationalen Interessen Russlands.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstveröffentlichung am 18. Mai 2025 auf der Webseite von RIA Nowosti.