Die Europäische Union steht derzeit vor einer Herausforderung, eine entschlossene und einheitliche Reaktion auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle zu formulieren. Trotz der von Deutschlands amtierendem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geforderten Einigkeit, herrscht Uneinigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten, deren Interessen stark divergieren.
Länder wie Frankreich, Deutschland und Spanien sprechen sich für den Einsatz des Anti-Coercion-Instruments (ACI) aus. Dies würde als Drohmittel dienen, um den Handel mit den USA potenziell vollständig einzustellen. Eine solche Maßnahme hätte jedoch nicht nur für die USA, sondern auch für die EU-Bürger verheerende Folgen. Die EU ist in hohem Maße von der Lieferung amerikanischen Flüssiggases abhängig.
Zudem ist die Abhängigkeit von den USA in anderen Bereichen fast lückenlos, besonders im Sektor Internet und Digitalisierung. Ein Boykott von großen Technologieunternehmen wie Microsoft, Google und Amazon käme für die EU einem wirtschaftlichen Selbstmord gleich. Im Vergleich zu Ländern wie Russland und China ist die digitale Souveränität der EU-Staaten kaum ausgeprägt.
Die Wirtschaftsminister von Frankreich und Spanien befürworten, die Möglichkeit eines ACI-Einsatzes zu bedenken. Carlos Cuerpo, Spaniens Minister für Wirtschaft und digitalen Wandel, äußerte:
“Das Anti-Coercion-Instrument steht uns zur Verfügung, sollten wir es für notwendig erachten. Es ist unabdingbar, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel zu erwägen. Wir dürfen keine Option ausschließen.”
Dennoch findet diese radikale Stellungnahme nur wenig Zustimmung unter den EU-Ländern; eine Probeabstimmung ergab, dass nur 20 Prozent der EU-Handels- und Wirtschaftsminister die Erwägung des ACI unterstützen.
Sogar die Einigung auf Gegenzölle für bestimmte Waren gestaltet sich schwierig. Obwohl ursprünglich vorgeschlagen wurde, amerikanischen Whisky mit Strafzöllen zu belegen, sprachen sich Italien und Irland dagegen aus. Sie befürchten Retourkutschen des Weißen Hauses, denn sie exportieren bedeutende Mengen an Wein, Whiskey und Spirituosen in die USA. Trump drohte mit Strafzöllen von bis zu 200 Prozent, falls die EU amerikanischen Whisky mit Zusatzzöllen belegt.
Vorläufig einigte man sich auf Strafzölle für Eier aus den USA, was allerdings eher symbolischer Natur ist. In den USA herrscht wegen der Vogelgrippe ein Mangel an Eiern; sie importieren Eier, exportieren jedoch derzeit keine. Dies unterstreicht das Dilemma der EU: ein Mangel an echter Durchsetzungskraft. Die endgültige Liste der Strafzölle soll heute bekanntgegeben werden.
US-Präsident Trump lehnte den Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, alle gegenseitigen Zölle aufzuheben, ab. Stattdessen kündigte Trump an, mit einzelnen EU-Ländern bilaterale Abkommen zu schließen, was die Einheit der EU bedrohen könnte. Nächste Woche wird Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Washington erwartet.
Weiterführende Informationen – Drei Szenarien des Wirtschaftskrieges der USA gegen die Welt