Die Europäische Union hat offiziell beschlossen, Defizitverfahren gegen sieben ihrer Mitgliedsländer einzuleiten, eine Ankündigung, die bereits vor sechs Wochen gemacht wurde. Die betroffenen Länder sind diesmal Frankreich, Italien, Belgien, Malta, Polen, die Slowakei und Ungarn. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Länder im letzten Jahr die festgelegte Verschuldungsgrenze von drei Prozent überschritten haben.
Durch die Einleitung des Defizitverfahrens könnten theoretisch Geldstrafen folgen, obwohl solche Strafen bisher noch nie verhängt wurden. “Länder der Eurozone, die sich weigern, die Vorgaben einzuhalten, könnten alle sechs Monate mit einer Geldstrafe von bis zu 0,05 Prozent ihres jährlichen BIP belegt werden”, erklärte das Portal euractiv im Juni.
Es ist allerdings zu beachten, dass Polen, eines der betroffenen Länder, nicht zur Eurozone gehört. Das gleiche gilt für Rumänien, das derzeit das EU-Land mit dem höchsten Haushaltsdefizit ist und gegen das bereits ein ähnliches Verfahren läuft. In diesen Fällen ist die Verhängung von Strafen nicht möglich.
Spanien, Tschechien und Estland sind derweil nicht von einem Verfahren betroffen. Der Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betonte bereits im Juni, dass die Defizite Spaniens und Tschechiens nur “vorübergehend” gewesen seien. Estland wiederum profitiert von einer Neuregelung der EU-Haushaltsvorschriften, die im April beschlossen wurde, wonach Rüstungsausgaben als Investitionen gewertet werden, die das Defizit senken. Polen, das seinen Verteidigungshaushalt drastisch erhöht hat und für das kommende Jahr eine Budgeterhöhung auf 5 Prozent des BIP plant, zieht keinen Nutzen aus dieser Regelung, weil vornehmlich Personal aufgestockt und nicht in Waffen investiert wurde.
Die Umklassifizierung von Rüstungsausgaben zu Investitionen hat wahrscheinlich verhindert, dass die Mehrheit der EU-Staaten die Defizitregeln bricht. In einer wirtschaftlichen Lage, die bestenfalls minimales Wachstum verzeichnet – wenn überhaupt – und wo Inflationsrisiken bestehen, hätte sonst der Druck zu höheren Rüstungsausgaben direkt die Überschreitung der Defizitgrenzen zur Folge gehabt. Stattdessen entsteht nun EU-weiter Druck, entweder Sozialausgaben oder echte Investitionen zu kürzen.
Im November sollen konkrete Schritte im Rahmen des jetzt gestarteten Verfahrens beschlossen werden.
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