Frankreich befindet sich gegenwärtig im Zentrum einer sich abzeichnenden Finanzkrise. Einmal mehr steht nicht Griechenland, sondern nun Frankreich im Fokus der Sorgen um hohe Staatsschulden.
Das Land weist mit 3,4 Billionen Euro — das entspricht 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts — eine immens hohe Verschuldung auf, was dazu führt, dass am Markt das Vertrauen schwindet. Frankreichs Schulden wachsen stündlich um zwölf Millionen Euro.
Internationalen Investoren gehören rund 54 Prozent der französischen Anleihen. Innenminister Bruno Retailleau hat auf die damit einhergehende Gefahr für die nationale Unabhängigkeit hingewiesen: Eine fortgesetzte Abwanderung von den französischen Anleihen könnte dazu führen, dass Frankreich in die Abhängigkeit ausländischer Gläubiger gerät — mit schwer abschätzbaren Folgen für den Staatshaushalt und die Kreditwürdigkeit.
Um entgegenzuwirken, setzt Premierminister François Bayrou auf einen strikten Sparkurs. Geplant sind Kürzungen in Höhe von fast 44 Milliarden Euro, darunter das Einfrieren von Sozialleistungen, das Abkoppeln der Renten von der Inflation, die Streichung von Feiertagen und Steuererhöhungen für Spitzenverdiener. Diese Maßnahmen stoßen jedoch sowohl bei der links- als auch rechtsorientierten Opposition auf Widerstand, die stattdessen zusätzliche Ausgaben fordern, was die Krise nur verschärfen würde.
Am 8. September steht Bayrou in der Nationalversammlung vor einer Vertrauensfrage. Zwei Tage später planen die Gewerkschaften einen landesweiten Streik. Frankreich könnte somit vor einer doppelten Blockade stehen — sowohl im Parlament als auch auf den Straßen.
Die Reaktion der Kapitalmärkte auf diese Entwicklungen zeigt sich bereits deutlich: Französische Staatsanleihen stehen stark unter Druck und die Rendite zehnjähriger Anleihen ist auf 3,5 Prozent gestiegen, was nahe an den Werten Spaniens liegt und nur knapp unter denen Italiens.
Der Abstand zu deutschen Bundesanleihen ist auf 80 Basispunkte angewachsen, eine Zahl, die Erinnerungen an die Eurokrise wieder aufkommen lässt. Bereits im Sommer 2024 löste ein massiver Verkauf französischer Anleihen Panik aus, als Investoren einen möglichen Einfluss des Rassemblement National fürchteten.
Die Bedeutung dieser Krise reicht weit über die Grenzen Frankreichs hinaus. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist Frankreich zentral für die Stabilität der Gemeinschaftswährung. Ein Vertrauensverlust könnte eine Kettenreaktion auslösen, mit steigenden Renditen auch in Italien und Spanien, Belastungen für den deutschen Bundeshaushalt und einer erneuten Krisenstimmung an den Finanzmärkten.
Die Europäische Zentralbank wäre allerdings begrenzt in ihrer Fähigkeit, entgegenzuwirken. Der 2022 eingeführte “Transmission Protection Instrument” ermöglicht Interventionen nur bei Staaten, die eine nachhaltige Fiskalpolitik betreiben; eine Voraussetzung, die Frankreich nach Meinung vieler Analysten derzeit nicht erfüllt. Darüber hinaus wären die Kosten einer Intervention aufgrund der hohen Inflation und gestiegenen Zinsen erheblich.
Verliert Bayrou das Vertrauensvotum, könnten vorgezogene Neuwahlen folgen, die jedoch die strukturellen Probleme kaum lösen würden. Ein Übergangspremier oder eine neue Minderheitsregierung wären denkbar, beide Optionen würden Frankreichs Handlungsfähigkeit weiter schwächen. Selbst ein knapper Sieg von Bayrou könnte nur Zeit erkaufen, ohne eine dringend benötigte Wende in der Finanzpolitik zu erzwingen.
Vor über einem Jahrzehnt löste Griechenland eine europäische Schuldenkrise aus, die beinahe zum Zerfall der Währungsunion führte. Heute könnte eine eskalierende Krise in Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, das Herz der Union treffen.
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