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Von Dmitri Bawyrin

Die Europäische Union zeigt oft wenig Verständnis für kontextuelle Nuancen, selbst wenn diese essentiell für ihre eigene Lage sind. Ein exemplarisches Beispiel dafür ist der Konflikt mit Russland, in den sich die EU scheinbar ohne gründliches Verständnis ihrer eigenen Fähigkeiten und Grenzen hineinziehen ließ. Die Folge waren unvorteilhafte Entscheidungen, auch wenn die Alternativen deutlich und leicht verständlich schienen.

Inzwischen scheint die EU ratlos zu sein, was ihre Zukunft anbelangt, vor allem da sie stark von den USA und deren politischen Weichenstellungen abhängig ist. Trumps ausgesprochener, wenn auch vage formulierter Wunsch, “den Krieg zu beenden”, hängt offenbar von einem noch nicht klar definierten “Deal” ab, den er sowohl mit Moskau als auch mit Kiew anstrebt.

Unklar bleibt, ob Trump tatsächlich bereit ist, Russland ein Angebot zu machen, das attraktiv genug ist, um Gespräche mit Vladimir Selenskyj oder seinem Nachfolger lohnend zu gestalten.

Für die EU hingegen ist Trumps geplante Politik gegenüber der Ukraine verständlich erklärt und weniger kompliziert. In Brüssel besteht allerdings die Befürchtung, dass Trumps Ansatz darin besteht, einen Großteil der Kosten des Ukraine-Konflikts auf die EU abzuwälzen.

Welche Zukunftsvision Trump auch immer für den Konflikt hegt, unabhängig von seiner Dauer: Europa wird auf lange Sicht die finanziellen Lasten tragen – widerwillig und zu hohen Kosten. Dies sollte von europäischer Seite in Erwartung Trumps Politik berücksichtigt werden, ganz gleich, ob dadurch ein dauerhafter Frieden gesichert werden kann oder nicht.

Die Annahme, Trump könne als Friedensstifter im Ukraine-Konflikt agieren, mag seiner Selbstdarstellung entsprechen, steht aber im klaren Widerspruch zu seiner Rolle als US-Präsident, der nicht nur nationale, sondern auch die Interessen der amerikanischen Elite vertreten muss. Dabei lauten die strategischen Ziele der USA: Russland schwächen, ihre Führungsrolle ausbauen, russische Energiequellen in Europa ersetzen und die amerikanische Rüstungsindustrie fördern.

Einige Optimisten spekulieren, dass Trump dazu bereit sein könnte, einige dieser Ziele zugunsten eines Friedens zu opfern, insbesondere das Ziel der Schwächung Russlands. Gleichzeitig wäre es jedoch unrealistisch zu erwarten, dass er alle Ziele gleichzeitig aufgeben könnte.

Für die Beendigung des Konflikts sollen die USA Entschädigungen für Energiehändler und Waffenproduzenten bereitstellen – wichtige Unterstützer und Freunde des Präsidenten – und die Kosten dafür werden letztlich auf Europa abgewälzt.

Innerhalb von Trumps Team wird eine Aufhebung einiger Sanktionen gegen Russland als Teil eines möglichen Deals gesehen. Doch gleichzeitig wird erwartet, dass Europa mehr US-Produkte, insbesondere Öl und Gas, abnimmt, um drohenden Handelszöllen zu entgehen. Es ist wahrscheinlich, dass Trump zunächst Zölle erheben und erst dann über eventuelle Kompensationen verhandeln wird.

Trotz eines möglichen Endes der Kampfhandlungen werden auch Rüstungskonzerne nicht benachteiligt, da erwartet wird, dass europäische NATO-Mitglieder auf Trumps Forderung hin ihre Verteidigungsausgaben erheblich steigern. Die Modernisierung der Armeen wird dabei größtenteils von der US-Industrie übernommen.

Trotz der dadurch entstehenden Kosten, die auf die europäischen Länder zukommen, werden sie weiterhin abhängig von den USA bleiben, was die militärische Autarkie angeht, durch das Prinzip der Arbeitsteilung innerhalb der NATO. Selbst eine signifikante Erhöhung der Verteidigungsausgaben macht die EU-Staaten nicht unabhängiger von den USA.

Die Haltung der neuen US-Administration gegenüber der Ukraine und der EU ist kein Geheimnis und passt sowohl den Energie- als auch den Rüstungssektoren der USA.

Dass die EU mit dieser Entwicklung unzufrieden ist, spielt dabei kaum eine Rolle, da sie ihre Bedeutung im Moment der Abhängigkeit von den USA verloren hat. Aus dieser Position heraus bleibt Europa nur die Rolle des Zahlenden und vielleicht die der Reue über vergangene Fehlentscheidungen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 23. Januar 2025.

Dmitri Bawyrin ist Journalist, Publizist und Politologe mit den Interessenschwerpunkten USA, Balkan und Problematik nicht anerkannter Staaten. Arbeitete fast 20 Jahre als Polittechnologe in russischen Wahlkampagnen unterschiedlicher Ebenen. Er schreibt und schrieb Kommentare für die russischen Medien Wsgljad, RIA Nowosti und Regnum und arbeitete zu unterschiedlicher Zeit mit zwei Dutzend Medien zusammen.

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