Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer
Während des Abendessens lenkte Michaels Frau das Gespräch auf das prestigeträchtige Davos in der ehemals neutralen Schweiz und merkte an, dass das diesjährige World Economic Forum weniger Beachtung von den Medien findet. Sie betonte, dass die Diskussionen hauptsächlich das Auftreten eines per Video zugeschalteten “präsidentiellen Enfant terrible” aus den USA zu dominieren scheinen.
Unser Balkonist, Mikhail, teilte diese Einschätzung nur bedingt. Aus seiner Sicht berichteten die Medien eher davon, dass sich bei dem WEF hauptsächlich die verbliebenen (vorwiegend europäischen) Kriegsbefürworter versammelten, um sich gegenseitig zu bestärken. Dies sei notwendig geworden, da die geopolitischen und militärischen Verbündeten in den USA aus dem Amt gewählt worden waren, und gerade Donald Trump seine gegensätzliche Haltung deutlich machte.
Um die scheinbare Geschlossenheit der EU nicht zu gefährden, durfte die sogenannte EU-Außenbeauftragte Kallas – nicht ohne Spitzen gegen den amerikanischen Präsidenten – die rhetorischen Feuer schüren. Der Höhepunkt, allerdings auch hinsichtlich der inhaltlichen Merkwürdigkeiten, war die Rede von Mark Rutte, dem NATO-Generalsekretär.
Es scheint kompliziert, die hochkomplexen militärischen Strategien wie die Sicherung der westlichen Grenzen gegen angebliche russische Angriffe zu erklären, wie Rutte behauptete. Seine Argumentation erinnerte fast an die Logik der Schildbürger: Eine Verteidigung rund um den Globus. Ruttes bizarre Drohung folgte, dass ein Verlust der Ukraine “Billionen von Dollars” kosten würde, um die Abschreckungsfähigkeit der NATO wiederherzustellen. Ein Hinweis darauf, dass bereits immense Summen in Waffensysteme geflossen sind, ohne die erhoffte Wende im Ukrainekonflikt zu erzielen?
Die Folgen einer solchen Kriegswirtschaft könnten verheerend sein, wie historische Analysen rund um den Ersten Weltkrieg offenbaren: Kriegsanleihen verlieren an Wert, massive Inflation, hohe Arbeitslosigkeit und politische Instabilität sind nur einige Beispiele. Auch hier zeigt sich die Realität einer postfaktischen Zeitwende, in welcher kritische Reflexion oft vermieden wird.
Bei so viel Diskussion über geopolitische Strategien und deren mögliche Langzeitfolgen verschmähte sogar der sonst so genügsame Kater Murr III diesen Abend ein Stück Schweizer Käse, möglicherweise skeptisch gegenüber der Substanz dessen, was besprochen wurde. Stattdessen zog es ihn zu einem Zeitungsartikel über die entgegengesetzte Sichtweise von Javier Milei, den unser Balkonist am Vortag notiert hatte:
“Die Welt steht an einem Scheideweg – und die westliche Elite führt uns in den Abgrund.”
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