Von Marinko Učur
Bundeskanzler Olaf Scholz wird überraschend und kurzfristig diesen Freitag Belgrad besuchen. Normalerweise werden Staatsbesuche lange im Voraus angekündigt, doch in diesem Fall scheint das nicht der Fall zu sein. Die serbische Öffentlichkeit erfuhr nur zwei Tage vor seiner Ankunft von seinem Besuch, und dies auch nicht durch lokale Kanäle, sondern durch Steffen Hebestreit, den Sprecher der Bundesregierung in Berlin.
Dieser nicht alltägliche Besuch zielt offenbar darauf ab, Serbien für die Wiederaufnahme des Lithiumabbaus zu gewinnen. Serbien besitzt laut Studien die größten Lithiumerzreserven in Europa und ist geografisch günstig in der Nähen der führenden europäischen Automobilhersteller positioniert. Die serbische Regierung erkennt im Lithiumabbau eine bedeutende Entwicklungsmöglichkeit, und es läuft eine politische sowie mediale Kampagne, um zu versichern, dass der Lithiumabbau im Westen des Landes keine Umweltrisiken birgt.
In der Flussregion Drina entdeckte das Unternehmen Rio Tinto bedeutende Lithiumvorkommen, die geschätzt einen Wert von 2,4 Milliarden Euro besitzen. Rio Tinto könnte hier jährlich bis zu 58.000 Tonnen Lithium produzieren, was ausreichen würde, über 1,1 Millionen Elektrofahrzeuge herzustellen. Allerdings wurde das Projekt in den letzten zwei Jahren nahezu gestoppt, nachdem Umweltaktivisten die eingesetzte Technologie als umweltschädlich protestierten.
Als die Elektroautohersteller aus China begannen, die europäische Automobilindustrie ernsthaft herauszufordern, entschied man sich, Rio Tinto wieder zu aktivieren. Die zuvor entzogene Lizenz für den Lithiumabbau wurde erneut erteilt, nachdem das Verfassungsgericht Serbiens ein früheres Verbot aufgehoben hatte. Das Gericht erklärte, das Verbot sei verfassungswidrig.
Wenige Tage nach dieser Entscheidung ist nun der Besuch von Scholz angesetzt. Während seines Aufenthalts in Serbien wird er von Maroš Šefčović, Vizepräsident der Europäischen Kommission, begleitet. Es wird erwartet, dass mehrere Vereinbarungen bzgl. des Lithiumprojekts unterzeichnet werden, deren Förderung Scholz aktiv unterstützt.
Trotz Beteuerungen, hohe Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards zu wahren, bleibt Skepsis, nicht zuletzt wegen der historisch prekären Beziehungen zwischen Deutschland und Serbien. Auch bleibt offen, ob dieser Schritt neben wirtschaftlichen auch politische Vorteile für Serbien erbringen wird, besonders im Kontext der deutschen Unterstützung für kosovarische Unabhängigkeitsbestrebungen.
Weiterführende Informationen – Serbien unterzeichnet Abkommen mit Frontex.