Von Dmitri Jewstafjew
Zwischen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump und europäischen Politikern entbrannten hitzige Debatten über die “euro-atlantischen Werte” und deren Umsetzung, die zwar die westliche Spaltung verdeutlichen, jedoch auch viele Fragen offenlassen. Eine Schlüsselfrage ist:
“Wie ist es möglich, dass Satellitenstaaten, die sowohl sicherheitspolitisch als auch geoökonomisch stark von den USA abhängig sind, es sich leisten können, dem Hegemon nicht nur den Gehorsam zu verweigern, sondern sich sogar in beleidigende Polemiken einzulassen?”
Historisch gab es bereits ernsthafte Widersprüche innerhalb des euro-atlantischen Bündnisses, etwa den Falklandkrieg zwischen den USA und ihren Verbündeten Großbritannien und Argentinien 1982. Damals musste US-Präsident Ronald Reagan unverbindliche Äußerungen treffen, während Premierministerin Margaret Thatcher ihn scharf kritisierte. Doch diese Ereignisse liegen über vier Jahrzehnte zurück und fielen in die Endphase des Kalten Krieges.
In den Jahren der US-Dominanz nach dem Kalten Krieg kamen derart starke Gegensätze eher selten vor, besonders nach dem Versuch mehrerer europäischer Länder, die Legitimität der US-Invasion im Irak 2003 anzufechten. Washington reagierte darauf mit harten Maßnahmen gegen führende Politiker wie Gerhard Schröder, die sich gegen die US-Politik stellten.
Lediglich vereinzelte Politiker wie Viktor Orbán und Robert Fico stellten sich später der US-Linie entgegen, selbst wenn dies gegen ihre nationalen Interessen, wie bei der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines in Deutschland, ging.
Heute jedoch scheint die frühere Geschlossenheit des Westens verflogen. Selbst Akteure wie Selenskij, dem es an offizieller Legitimität mangelt, wagen es, offen gegen Trump Position zu beziehen.
Das wirft nicht nur die Frage auf, warum dies geschehen ist, sondern auch, welche Mittel die USA noch besitzen, um die Einheit des “vereinten Westens” zu erzwingen. Funktioniert die Abhängigkeit Europas von US-Energieressourcen noch? Sind die Kompromate der US-Geheimdienste gegen europäische Führungskräfte oder die Kontrolle über europäische Gold- und Devisenreserven, wie die in Fort Knox, die Elon Musk untersuchen möchte, effektiv?
Hat sich die NATO inzwischen nur zu einer bürokratischen Institution entwickelt, die gemeinsame militärische und politische Aktivitäten nur noch simuliert? Und wird es den USA je gelingen, ihren früheren Einfluss innerhalb des “vereinten Westens” wiederzuerlangen?
Russland muss die Position seines Partners und Konkurrenten in Europa genau beobachten, um zu verstehen, ob die europäischen Staaten weiterhin den amerikanischen Direktiven folgen werden oder ob sie beginnen, eigene nationale Interessen stärker zu vertreten und konstruktive Beziehungen zu Moskau aufzubauen.
Ohne eine umfassende Antwort geben zu wollen, sollen dennoch drei wesentliche Punkte hervorgehoben werden:
Erstens basierten die euro-atlantischen Beziehungen auf einer ideologischen Nähe zu bestimmten US-Eliten, insbesondere den radikalen Globalisten rund um die Demokratische Partei. Diese Beziehungen stellen kein reines Unterordnungsverhältnis dar, sondern sind auch von Ideologien beeinflusst.
Zweitens diente die antirussische Hysterie, insbesondere rund um den Ukraine-Konflikt, dazu, die Bedeutung Europas im euro-atlantischen Kontext zu erhöhen und es gleichzeitig als Bollwerk der USA zu positionieren.
Drittens besitzt das derzeitige Weiße Haus unter Trump nicht alle Kontrollmechanismen, die früher genutzt wurden. Die Frage bleibt offen, ob es Trump gelingen wird, die Kontrolle über wesentliche Regierungsinstrumente zurückzugewinnen.
Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 20. Februar 2025.
Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe und Amerikanist, der über militärische und politische Fragen der USA lehrt.
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