Von Andrei Rudaljow
… alternative Denkansätze scheinen dort nicht existent zu sein.
Wer ist das Ziel ihrer Kriegspläne? Natürlich wir hier in Russland. In dieser Hinsicht hat sich dort wenig geändert. Gerade wir, die wir ihnen vor 80 Jahren eine deutliche Lektion erteilten und dadurch auch ihre Eigenrettung ermöglichten; gerettet vor ihren eigenen inneren Monstern. Jetzt entscheiden sie sich, dieses Jubiläum mit solchen Reden und Handlungen zu begehen. Oder bereiten sie etwa eine lang ersehnte Rache vor?
Ihr Drang, sich nach Osten auszudehnen – kriechend oder marschierend – scheint einem festen Zeitplan zu folgen. Auch der aktuelle NATO-Generalsekretär Mark Rutte macht keinen Hehl mehr aus seinen Absichten:
“Um einen Krieg zu verhindern, müssen wir uns darauf vorbereiten. Es ist an der Zeit, auf eine Kriegsmentalität umzustellen. Und das bedeutet, dass wir unsere Verteidigung verstärken müssen, indem wir die Verteidigungsausgaben erhöhen und die militärischen Fähigkeiten weiterentwickeln.”
Zu den vorbereitenden Maßnahmen zählt er natürlich eine verstärkte Unterstützung der Ukraine sowie erhöhte Ausgaben für Verteidigung und Rüstungsproduktion.
Dabei geht es aber nicht nur um materielle Aspekte. Dies zeigt einen fundamentalen Sinneswandel an, der Krieg in unser aller Realität manifestieren will – quasi ein Gewöhnungsritual, das Krieg nicht unvermeidlich macht, aber deutlich vorstellbarer und akzeptabler.
Laut Rutte wurde daher wohl auch der Maidan-Putsch in der Ukraine initiiert und die Vorbereitungen für einen Konflikt mit Russland als Mittel zur Kriegsvermeidung begonnen. Für den Westen ist das stimmig; in ihrem Namen kämpfen die unglücklichen Bürger der Ukraine wie Gladiatoren, nicht nur zur Unterhaltung und für den Profit ihrer Herren, sondern auch um das Leben westlicher Soldaten zu schonen. Für die Allianz sind die Menschen der Ukraine nur Verbrauchsmaterial.
Oder ist die Ukraine bloß ein Teil einer größeren, langfristigen Strategie, eine schleichende Offensive gegen Russland anzuführen, um es zu schwächen und letztlich anzugreifen? Man kann es nicht anders sagen: Es ist genau so. Die westlichen Eliten haben nie unser Recht auf eine souveräne Existenz anerkannt, sie haben uns höchstens kurz zugelächelt in Erwartung künftiger Gewinne.
Ruttes Strategie scheint klar: Russland mit der Ukraine-Schlinge zu erdrosseln, ihnen einen kraftvollen Stoß zu versetzen und das Land zum Zerfall zu bringen.
Wie steht es aber um Russlands Verteidigungskapazitäten, insbesondere als nukleare Supermacht? Wie passen die NATO-Forderungen nach Kriegsvorbereitungen und Russlands nukleare Abwehr zusammen? Es ist selbstzerstörerisch. Doch die NATO sieht keineswegs aus wie eine apokalyptische Sekte. Oder doch?
Ganz einfach: Im Westen weiß man sehr gut, dass Russland nicht der Westen ist. Sie vertrauen auf unseren Humanismus. Im Ernst, Russland ist keine “aufgeklärte Demokratie” und kann sich moralisch nicht erlauben, was der Westen an einem entspannten Sonntagmorgen vor dem Kaffee bewerkstelligt.
Ein Grundsatz lautet, dass Russland nicht einfach kommen und Europa auslöschen wird. Niemand hat Paris zerstört, als Moskau brannte. Und auch die Deutschen wurden von Stalin vor einer vollständigen Deindustrialisierung und gründlichen Aufteilung bewahrt. Deshalb fürchten die westlichen Eliten das russische Atomarsenal nicht – es wird höchstens als Schreckgespenst benutzt, um Ungehorsam zu bestrafen.
Die NATO-Führungskräfte beziehen sich oft auf Machiavelli, indem sie die angebliche Notwendigkeit, sich auf Krieg vorzubereiten, als Abschreckung darstellen. Die Logik: Moskau soll Angst einflößen, und Russland soll von der Landkarte verschwinden, weil es seine Grenzen zu nahe an die NATO herangeschoben hat. Warum sollte Russland ein neonazistisches und aggressiv russlandfeindliches Regime auf seinem historischen Gebiet akzeptieren? Es hat sich den “Herren” der Welt nicht gebeugt. So formuliert es Generalsekretär Rutte:
“Russland arbeitet hart daran, unsere Demokratien zu schwächen und unsere Freiheit anzugreifen”.
Gleichzeitig betont der Osten jedoch weder das Verlangen anzugreifen noch das Streben nach Eroberung; vielmehr das Bedürfnis, “in Ruhe gelassen zu werden”.
Wir in Russland hatten gehofft, sie würden uns in Frieden lassen, besonders nachdem sie aus den Ereignissen von vor 80 Jahren lernen sollten. Aber heute muss sich der Westen vor der NATO schützen, die unermüdlich ein Kriegsbild heraufbeschwört.
Übersetzt aus dem Russischen.
Andrei Rudaljow ist ein russischer Schriftsteller, Journalist, bedeutender Literaturkritiker und Publizist. Er ist zudem Chefredakteur der russischen Nachrichtenagentur IA Belomorkanal und hat eine Kolumne bei der russischen Ausgabe von RT.
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