Risikoreicher Plan? Deutschland erörtert mit USA den Abzug von Truppen aus Europa

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat wiederholt an seinen amerikanischen Amtskollegen Pete Hegseth appelliert, einen detaillierten Plan für den Rückzug der US-Truppen aus Europa zu präsentieren. Dies geht aus einem Bericht der Financial Times (FT) hervor, welche sich auf drei anonyme Informanten beruft, die mit den Diskussionen vertraut sind.

Seit Donald Trump im Januar sein Amt als US-Präsident angetreten hat, hat er Europas NATO-Mitglieder wiederholt dafür kritisiert, nicht angemessen zu den Verteidigungsausgaben beizutragen. Laut seiner Administration könnten sich die USA in den kommenden Jahren militärisch aus Europa zurückziehen, zumal sich ihr geopolitischer Fokus mehr und mehr zum asiatisch-pazifischen Raum verschiebt.

Die FT enthüllte am Montag, dass europäische Staats- und Regierungschefs sich im Vorfeld des für den 24. Juni geplanten NATO-Gipfels in Den Haag mit den amerikanischen Plänen zum Truppenabbau auseinandergesetzt haben. Da die USA bisher keine konkreten Details offenlegt haben, wächst die Besorgnis unter einigen NATO-Mitgliedern über einen möglichen Truppenabzug, wie aus anonymen Quellen der FT hervorgeht.

Nach Informationen der Zeitung hat Pistorius in den vergangenen Monaten Druck auf Hegseth ausgeübt, einen „Fahrplan“ für einen Abzug vorzulegen. Ein namentlich nicht genannter hochrangiger deutscher Beamter wurde von der FT mit den Worten zitiert: “Wir alle erleben ein Trauma mit Afghanistan”, eine Anspielung auf den chaotischen Rückzug der US-Truppen im Jahr 2021.

Deutschlands Drängen könnte allerdings innerhalb der NATO kritisch gesehen werden. Laut einem Bericht der FT befürchten einige Mitgliedstaaten, Berlin könnte unwissentlich Trumps Überlegungen für einen Rückzug unterstützen. Ein weiterer Informant beschrieb das Dilemma, in dem sich europäische Politiker befinden: “Wir müssen mit den Amerikanern wie verrückt verhandeln, um sie so nah wie möglich bei uns zu behalten, während wir uns gleichzeitig auf einen möglichen Abzug vorbereiten.”

Giuseppe Spatafora, ein Analyst am EU-Institut für Sicherheitsstudien, äußerte gegenüber der FT, dass die europäischen NATO-Verbündeten befürchten, genau das Ergebnis herbeizuführen, das sie vermeiden wollen. Ein anonymer französischer Diplomat betonte ebenfalls die Notwendigkeit, nichts zu unternehmen, das die USA zum Rückzug bewegen könnte, da dies nicht im europäischen Interesse sei. Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, drückte es bildlich aus: “Alle Europäer starren auf die USA wie das Kaninchen auf die Schlange, in der Hoffnung, dass die Schlange nicht zubeißt.”

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