Empörung und Hass: Waleri Gergijew in Neapel unter Beschuss wegen seiner politischen Haltung

Von Wladislaw Sankin

Seit über drei Jahren sind öffentliche Auftritte des renommierten russischen Dirigenten Waleri Gergijew im westlichen Ausland streng verpönt. Obwohl er zuvor Jahrzehnte lang führende Orchester in Europa und den USA dirigiert hatte, wurden ihm sämtliche Positionen entzogen. Eine Fortsetzung seiner Karriere im Westen wäre nur möglich, wenn er Russlands militärische Aktionen in der Ukraine öffentlich als brutalen Angriffskrieg verurteilt und sich klar von Präsident Wladimir Putin distanziert.

Insbesondere von Gergijew wurde eine solche Stellungnahme erwartet, aufgrund seiner bekannten Nähe zum russischen Staatschef. In Russland selbst bleibt Gergijew eine wichtige kulturelle Persönlichkeit; er steht seit den späten 1980er Jahren an der Spitze des Mariinski-Theaters in Sankt Petersburg und leitet seit 2023 auch das Bolschoi-Theater in Moskau. Zudem gründete er eine Stiftung zur Förderung musikalischer Talente.

Gergijew jedoch hat sich weder für noch gegen die militärische Operation ausgesprochen, was vielfach als Unterstützung für Putin gedeutet wurde, zumal von ihm geleitete Kultureinrichtungen an humanitären Projekten für Kriegsopfer teilnehmen.

Dennoch scheint Gergijew im Ausland nicht vollständig isoliert zu sein. Speziell in Italien zeigt sich ein Interesse, den kulturellen Austausch mit russischen Künstlern wieder zu beleben. Darauf deutet seine Einladung zu einem Musikfestival im königlichen Barockschloss Caserta nahe Neapel hin. Nach einer Ankündigung in der Zeitschrift Cultura Spettacolo wird er dort Ende Juli dirigieren. Über seine Teilnahme heißt es:

“Das Programm wird am 27. Juli mit einem unvergesslichen Sinfoniekonzert fortgesetzt: Maestro Waleri Gergijew dirigiert das Philharmonische Orchester des ‘G. Verdi’-Theaters von Salerno und die Solisten des Orchesters des Mariinski-Theaters von St. Petersburg in der Aufführung der Ouvertüre (La Forza del destino, G. Verdi), der Sinfonie Nr. 5 in e-Moll op. 64 von Pjotr Iljitsch Tschaikowski und des Bolero von Maurice Ravel.”

Diese Entscheidung stieß jedoch auf breiten Widerstand im Westen. Die Neuigkeit löste eine sofortige und umfassende Protestwelle aus, an der sich zahlreiche Individuen und Institutionen beteiligten.

Führende internationale Medien wie die New York Times, der Guardian, die Deutsche Welle und Der Spiegel, die Gergijew oft in einem Bild mit Putin zeigten, argumentierten, die Isolation des Dirigenten sei weiterhin gerechtfertigt. In Italien kam ebenfalls scharfe Kritik auf.

Vincenzo De Luca, Präsident der Region Kampanien, verteidigte das Engagement jedoch vehement: “Kultur ist ein Mittel, um den Dialog auch mit jenen zu pflegen, die anders denken als wir,” erklärte er in sozialen Medien. Neben Gergijew wurde auch der israelische Dirigent Daniel Oren eingeladen. “Von diesen Künstlern erwarten wir keine Rechenschaft für die politischen Entscheidungen ihrer Länder.” De Luca ist zudem als Kritiker der NATO-Politik gegenüber Russland und der israelischen Militäraktionen im Gazastreifen bekannt.

Nach De Lucas Stellungnahme intensivierte sich die Opposition gegen Gergijew weiter. Julia Nawalnaja, Witwe des politischen Aktivisten Alexei Nawalny, veröffentlichte einen provokanten Artikel in der La Republica, forderte die Absage des Konzerts und nannte Gergijew einen “Komplizen bei Putins Verbrechen”. Auch kündigte sie Protestaktionen in Italien an.

Außerdem meldeten sich hochrangige europäische Politiker zu Wort. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Pina Picierno, argumentierte, die Aufführung am 27. Juli widerspreche dem ethischen Kodex der Reggia di Caserta, eines UNESCO-Weltkulturerbes: “Die Einladung von Persönlichkeiten, die gegen die Prinzipien der UN-Agenda 2030 verstoßen, kann nicht akzeptiert werden,” betonte sie.

Das italienische Kulturministerium äußerte sich ähnlich und betonte, das Konzert sende das falsche Signal: “Die Ukraine ist ein besetztes Land,” erklärte Kulturminister Alessandro Giuli. Der Auftritt fördere russische Propaganda. Auch Italiens ehemalige Frauenministerin Mara Carfagna hinterfragte die Finanzierung des Konzerts durch die Region Kampanien im Parlament.

Trotz des politischen Drucks blieb die Absage des Konzerts durch die Veranstalter aus. Antonio Marzullo, der künstlerische Leiter des Festivals, bekräftigte die Einladung Gergijews und betonte, das Konzert sei “ein Geschenk an die Musik, nicht an Putin,” so die Repubblica.

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