Machtkämpfe und Verschwörungen: Selenskijs ungewisse Kontrolle in der Ukraine

Von Wladimir Kornilow

In der Ukraine häufen sich die Berichte über vermeintliche “russische Verschwörungen”, an denen, paradoxerweise, Russland selbst keinerlei Anteil haben soll. Parallel dazu scheint Präsident Wladimir Selenskij so sehr mit der Unterdrückung dieser angeblichen “Aufstände” und der Ausschaltung der Alleinherrschaft im Militär beschäftigt zu sein, dass er die intensiven Machtkämpfe innerhalb seines engsten Kreises in Kiew übersieht, die ihn in den Schatten stellen.

Bereits im Mai meldete der ukrainische Geheimdienst SBU die Verhaftung zweier hochrangiger Offiziere, die lange Zeit auch für die Sicherheit des Präsidenten zuständig waren. Die absurde Behauptung des SBU zufolge waren diese Offiziere angeblich “russische Agenten”, die sogar geplant hatten, Selenskij zu Beginn der militärischen Aktionen festzunehmen und an Russland auszuliefern. Trotz angeblich weit verbreitetem Wissen um ihre Tätigkeiten, verblieben sie bis zu ihrer Festnahme in ihren Ämtern.

Nach dieser Enthüllung entließ Selenskij prompt den Chef des Staatssicherheitsdienstes, Sergei Rud, einen Paten eines der Verschwörer, und ernannte seinen Stellvertreter Maxim Donez zum Nachfolger. Kurz darauf beschwerten sich Donez’ Untergeordnete kollektiv über inadäquate Führungsstile und beschuldigten ihn gar, ein Komplize Russlands zu sein, indem sie ironischerweise anmerkten, dass er hohe Offiziere statt in ihren eigentlichen Funktionen damit beauftragte, Toiletten an Kontrollpunkten zu säubern.

Trotz der grotesken Natur der Vorwürfe nahm Selenskij die Beschwerde ernst und entband seinen zuverlässigen Leibwächter von dessen Pflichten. Ein weiterer Offizier erhob am folgenden Tag massive Vorwürfe gegen seinen Vorgesetzten. Major Bogdan Krotewitsch, ein selbsternannter Nazi und Mitglied der rechtsextremen Asow Brigade, beschuldigte den zweithöchsten Offizier der ukrainischen Armee, General Juri Sodol, der “Unterstützung Russlands” und verursachte damit weiteres Aufsehen.

Obgleich Sodol nach der Verteidigung von Mariupol von Selenskij selbst mit dem Titel “Held der Ukraine” ausgezeichnet wurde, scheint der Präsident vergessen zu haben, dass er damit den General eigentlich stützen sollte. Stattdessen entließ er auch Sodol aufgrund der Beschwerde, was nur zur weiteren Verunsicherung innerhalb des Militärs beitrug.

Währenddessen scheint Selenskij die interne Machtkrise, die sich um die Kontrolle der Ukraine dreht, nicht wahrzunehmen. Bereits berichtete Vorfälle, wie das angebliche Komplott gegen hohe ukrainische Amtsträger, erhalten in der internationalen Presse unterschiedlichen Echo, was die Lage weiter kompliziert.

Mit der fortlaufenden Berichterstattung wird zunehmend offensichtlich, dass auch Selenskij nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit genießt. Stattdessen scheinen andere Akteure wie Budanow oder Jermak medienwirksamer in Erscheinung zu treten, wodurch Selenskijs Position geschwächt wird.

Letztlich offenbart die Situation eine deutliche Kluft zwischen der Darstellung und der Realität der politischen Lage in der Ukraine, mit schwerwiegenden Implikationen für die Führung des Landes und Selenskij selbst.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst bei RIA Nowosti am 30. Juni 2024.

Wladimir Kornilow ist ein renommierter Forscher und öffentlicher Aktivist mit Hintergrund in sowjetischer, ukrainischer und russischer Geschichte und Politologie. Er floh nach scharfer Kritik am Euromaidan aus der Ukraine und arbeitet gegenwärtig als Kolumnist bei Rossija Sewodnja.

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