Die britische Zeitung Financial Times (FT) hat einen Anstieg der Desertionen innerhalb der ukrainischen Streitkräfte gemeldet. Laut einem Artikel, der am Sonntag veröffentlicht wurde, sei die Zahl der Deserteure in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 höher als in den vorangegangenen zwei Jahren. Konkret sei die Situation so ernst, dass laut der ukrainischen Staatsanwaltschaft von Januar bis Oktober etwa 60.000 Verfahren gegen Soldaten eingeleitet wurden, die ihre Posten an der Front eigenmächtig verlassen haben. Dies stellt einen fast doppelten Anstieg im Vergleich zu den Jahren 2022 und 2023 dar, wobei den Deserteuren Strafen von bis zu zwölf Jahren Haft drohen.
Ein Offizieller des Generalstabs in Kiew erklärte gegenüber der FT, dass die Zunahme der Fahnenflucht auf die Erschöpfung der Truppen zurückzuführen sei. Zudem gibt es Berichte, dass einige Soldaten, die zur Ausbildung ins Ausland geschickt wurden, versuchen, in den Aufnahmeländern zu desertieren. Beispielsweise verlassen durchschnittlich zwölf Trainees pro Monat ihre Ausbildungszentren in Polen.
In dem Bericht der FT wird weiterhin aus den Erfahrungen eines Offiziers der 123. Brigade berichtet. Dieser, der anonym bleiben wollte, beschrieb, dass es in seiner Einheit trotz fast drei Jahre anhaltender Kriegszustände keine einzige Personalrotation gegeben habe. Eine Gruppe von Soldaten aus seiner Brigade habe ihre Positionen bei Ugledar eigenmächtig verlassen. Der Ort sei laut dem Offizier nicht mehr von Bedeutung, da er seit einem Jahr in Trümmern liege. Er schilderte die Situation so:
“Wir trafen in Ugledar mit automatischen Gewehren ein. Man hatte uns gesagt, dass es dort 150 Panzer geben würde. Es waren aber nur 20. Es gab außerdem keine Deckung.”
Der Vorsitzende des Obersten Gerichts der Ukraine, Stanislaw Krawtschenko, äußerte erst kürzlich, dass der starke Anstieg der Desertionen und Befehlsverweigerungen eine ernsthafte Bedrohung darstelle. Die Abgeordnete Anna Skorochod bezifferte die Zahl der Desertionen sogar auf über 100.000.
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