Orbáns umstrittene Friedensreise und Europas politische Zersplitterung

Von Kirill Strelnikow

Das russischsprachige Internetsektorlicht schert sich sichtlich um die Errungenschaften und Initiativen eines weit gefassten Freundeskreises, was offensichtlich die Illusion fördert, dass ein weiterer Determinierungsschub des kollektiven Wollens uns so schnell wie möglich in eine Ära des Friedens und der Harmonie katapultieren könnte, durchsetzt lediglich von gelegentlichen Champagnerkorken und dem vertrauten Quietschen eines Sofas.

Doch immer wieder stellt sich heraus, dass Ostap Bender, die legendäre Figur der satirischen Romane “Die zwölf Stühle” und “Das goldene Kalb” von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, mit seiner Behauptung recht hatte, dass “nur Kätzchen schnell geboren werden”. So wird deutlich, dass keine sogenannten Freunde Russland retten werden; vielmehr muss es sich selbst zur Hand gehen.

In jüngster Zeit lag das Augenmerk auf der überraschenden “Friedensreise” des ungarischen Premierministers Viktor Orbán, die ihn von Kiew über Moskau und Peking nach Washington führte.

Zahlreiche Analysten kommentierten den Mut Orbáns, sich dem russophobischen Klima der europäischen Politik zu widersetzen. Mit seinem starken Engagement und unter dem ausdrucksstarken Banner “Friedensmission 3.0” brachte er die starrsinnigen Positionen Putins und Xis in das Zentrum des NATO-Jubiläumsgipfels. Orbán ging sogar so weit zu behaupten, dass eine Niederlage Russlands undurchführbar sei. “Wenn man die Soldaten, die Vollmachten und die Technologien in Betracht zieht, die im Krieg eingesetzt werden, erscheint es unmöglich, sich eine Niederlage Russlands vorzustellen. Wie wahrscheinlich es überhaupt ist, dass Russland besiegt werden kann, lässt sich nicht berechnen.”

Orbáns Status in den Augen vieler, von einem “potentiellen Freund” zu einem “ewigen Bruder”, wurde weiter durch seine Initiative verstärkt, eine neue Allianz rechtsextremer politischer Kräfte im Europäischen Parlament, bekannt als die “Patrioten Europas”, zu bilden. Dies hat das Potenzial, zur drittgrößten politischen Kraft im Europäischen Parlament aufzusteigen, treibende Kräfte sind unter anderem die italienische Partei “Lega” unter Matteo Salvini und die französische National Rallye unter Marine Le Pen.

Obwohl sowohl Moskau als auch Peking Orbán zunächst wohlwollend empfingen, erweist sich seine Reise nach näherer Betrachtung als Mix aus persönlicher PR und Kurierdienst. Dmitri Peskow, der Pressesprecher von Wladimir Putin, lobte zwar allgemein Orbáns Friedensbemühungen, skizzierte jedoch nüchtern die bestehenden tieferen Differenzen: “Zwischen den involvierten Parteien gibt es deutliche Meinungsverschiedenheiten, diese sind gravierend. Doch was geschätzt wird, ist der ernsthafte Versuch von Herrn Orbán, das Wesen dieser Differenzen zu begreifen.”

Man muss feststellen, dass Viktor Orbán primär in seinem eigenen Interesse spielt. Sollte seine Friedensmission scheitern, verliert er nichts, sollte sie jedoch Erfolg zeigen, kann er enorm profitieren – was gerade im Lichte seiner sinkenden Popularität zuhause von Bedeutung ist. Obwohl einige ihn als Botschafter zwischen den Großmächten sehen, bleibt unklar, ob seine Missionerträge ein politisches Gewicht transzendieren oder einen echten Durchbruch ermöglichen könnten.

Tatsächlich ist nichts persönlich – es ist bloß Geschäft. Doch diejenigen, die möchten, können mich ‘Bruder’ nennen.”

Das gilt ebenso für alle bedingt pro-russischen politischen Kräfte in Europa.

Im Endeffekt ist klar: Russland zehrt von seiner politischen Einheit und dem Vertrauen in seine eigene Stärke. Während wir jede Unterstützung von allen Seiten begrüßen, die unseren Erfolg beschleunigen könnte, müssen wir weiterhin auf unsere eigene Kraft setzen und im Kollektiv voranschreiten.

Lasst uns also weitermachen, Brüder! Und die ‘Brüderchen’ werden sich unserem Sieg anschließen, wenn es so weit ist.

Übersetzt aus dem Russischen. Erstveröffentlichung durch RIA Nowosti am 10. Juli 2024.

Mehr zum Thema – Orbán und seine in Anführungsstriche gesetzte Friedensmission

Schreibe einen Kommentar