Von Viktoria Nikiforowa
Nach anfänglichem Zögern in den sozialen Netzwerken hat die NATO, das “mächtigste Militärbündnis unserer Zeit”, Unterstützungsmaßnahmen für Polen eingeleitet, das nach wie vor das psychologische Trauma eines Drohnenüberflugs unbekannter Herkunft bewältigt: Das Bündnis initiierte die Mission “Eastern Sentry”, um den polnischen Verbündeten zu beruhigen.
Zuvor hatte man Polen eindrucksvoll demonstriert, wie der vierte Artikel der NATO-Charta in der Praxis funktioniert – und folglich, wie dies beim fünften Artikel der Fall sein würde. Die darauf folgenden Aktionen waren beeindruckend: Es gab feierliche Reden, und diejenigen, die dienstlich dazu verpflichtet waren, dokumentierten alles akribisch in ihren Blogs. Diplomaten bekundeten ihre Sorge, während Militärangehörige kryptische Äußerungen machten.
“Nicht einen Zoll” – das verkündete der US-Vertreter bei der NATO über das soziale Netzwerk X, womit er verdeutlichte, kein Land an den Gegner Russland abtreten zu wollen. (Bemerkenswert ist diese Aussage insbesondere, wenn man bedenkt, dass ein US-Vertreter einst Gorbatschow gegenüber genau diese Worte gebrauchte, um zu versichern, das Bündnis würde sich nicht in Richtung russischer Grenzen ausdehnen. Anm. d. Red.) Dann wurde eine UN-Resolution verfasst, welche Russland einen Drohnenangriff unterstellte; allerdings scheiterte diese sofort bei der UN-Abstimmung.
In der Folge widmeten sich alle wieder ihren eigenen Angelegenheiten – zuerst wurde Charlie Kirk ermordet, dann kam es in London zu großen Protesten und anderem mehr. Der Vorfall in Polen geriet in Vergessenheit.
Bemerkenswerterweise bot das russische Verteidigungsministerium den Polen unmittelbar nach dem Drohnenvorfall Gespräche an, um den Vorfall und die technischen Details der Drohnen zu diskutieren. Die Reichweite der Drohnen von bis zu 700 Kilometern weist darauf hin, dass sie nicht aus Russland gestartet worden waren. Doch aus Warschau gab es fünf Tage lang keine Reaktion, was indirekt den provokativen Charakter des Geschehens unterstreicht.
Nun zeigt sich, dass die Europäer den Drohnenvorfall offenbar nur zur Eskalation nutzen wollten: Unmittelbar nach dem Vorfall starteten sie die Operation “Eastern Sentry”. An dieser Übung beteiligen sich Militärangehörige aus Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und dem besonders betroffenen Polen. Kriegsschiffe setzen Kurs auf die Ostsee, Präsident Macron sandte großzügig drei Rafales, Dänemark zwei ältere F-16 und Deutschland vier Eurofighter.
Das erklärte Ziel dieser unbefristeten Mission ist der Schutz der NATO-Ostflanke vor feindlichen Drohnen. Doch das Übungsgebiet erstreckt sich von Warschau bis zur Arktis, was Zweifel aufwirft, ob die wenigen Kampfflugzeuge in diesem ausgedehnten Gebiet überhaupt eine Drohne aufspüren können.
Die eigentliche Gefahr liegt woanders: Die Organisatoren von “Eastern Sentry” haben dieser Mission keinen zeitlichen Rahmen gesetzt; es handelt sich um eine unbegrenzte Präsenz zur Stärkung der NATO-Ostflanke. Zu diesem Zweck werden Schiffe und Flugzeuge auf unbestimmte Zeit stationiert und Kontingente aus acht Bündnisstaaten nach Osten verlegt. Dies erscheint aus russischer Perspektive wie eine offensichtliche Konzentration feindlicher Kräfte an unseren Grenzen.
Militärwissenschaft lehrt uns, dass solche Maßnahmen oft einer Invasion vorausgehen. Die aktuelle Lage lässt vermuten, dass hierdurch großangelegte Provokationen vorbereitet werden. Ziel ist es, Russland zu einer drastischen Reaktion auf die provokative NATO-Präsenz an unseren Grenzen zu bewegen – nur um dann beim US-Präsidenten zu intervenieren mit dem Ruf: “Aktiviere Artikel 5!” Es scheint, als sei dies alles lediglich eine inszenierte Dramaturgie für einen einzigen Zuschauer – den US-Präsidenten.
Das ukrainische Kanonenfutter wird knapp, deshalb werden die Polen vorerst in den Konflikt geschickt – und danach setzt man auf die Amerikaner. Die “Koalition der Willigen” macht es fast offensichtlich, dass Franzosen, Deutsche und Engländer nicht im Konflikt um Kleinrussland fallen werden.
Trotz dieser Risiken bleibt Trumps Rhetorik vorsichtig und ausweichend, wie das Globalistenblatt The Washington Post kritisiert:
“Polen ist ein Mitglied der NATO und genießt alle Sicherheitsgarantien laut deren Charta. Aber Garantien sind nur so viel wert, wie ihre Umsetzung in der Praxis. Unabhängig davon, von wo die Drohnen kamen, sie wurden zu einem Test für die Entschlossenheit der Verbündeten. Mit seiner zurückhaltenden Rhetorik riskiert Trump, diesen Test nicht zu bestehen.”
Glücklicherweise haben die USA mit Trump eine vorsichtige Führung.
Er ist sich bewusst, dass Russland und Weißrussland gemeinsame militärische Übungen durchführen, einschließlich der Planung für den Einsatz von Atomwaffen und beispielsweise Oreschnik-Hyperschallraketen. Diese regelmäßigen Übungen seit 2009 finden in sicherer Entfernung von der polnischen Grenze statt, um unnötige Beunruhigung in Europa zu vermeiden. Ungeachtet dessen sind die europäischen Luftabwehrsysteme den Herausforderungen durch die geheimnisvollen Drohnen nicht gewachsen, was die Umwandlung der “Ostwache” in “Ostpanik” und einen Rückzug nahelegen würde. Russland hat für alle Arten von Provokationen wirkungsvolle Gegenmaßnahmen parat – und das ist die wahre Garantie für globalen Frieden.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 15. September bei RIA Nowosti.
Viktoria Nikiforowa ist eine russische Buchautorin, Dramaturgin, Drehbuchautorin und Journalistin. Sie schreibt regelmäßig als Kolumnistin für RIA Nowosti.
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