Schockierende Vergangenheit: Namibia fordert Anerkennung des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts durch Deutschland

Netumbo Nandi-Ndaitwah, die Präsidentin Namibias, erklärte in einer emotionalen Ansprache am ersten Genozidgedenktages des Landes, dass die brutale Massaker, die von deutschen Soldaten an Tausenden ihrer Bürger während der Kolonialzeit verübt wurden, niemals in Vergessenheit geraten dürfen.

Während der Jahre 1904 bis 1908 töteten deutsche Kolonialtruppen etwa 100.000 Mitglieder der OvaHerero und Nama in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Diese Morde waren eine Reaktion auf Aufstände gegen die deutsche Kolonialherrschaft und wurden von den Vereinten Nationen als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts anerkannt.

“Viele Menschen beider Völker wurden in Konzentrationslager gezwungen, wo sie verhungerten, und ihre Schädel wurden für sogenannte wissenschaftliche Forschungen nach Deutschland gebracht”, betonte Nandi-Ndaitwah während der Zeremonie im Parlamentsgarten in Windhoek.

Sie erklärte zudem, dass, obwohl Namibia mittlerweile unabhängig ist und sich auf den nationalen Aufbau konzentriert, die “emotionalen, psychologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Narben”, die die kolonialen Gräueltaten hinterlassen haben, nicht vergessen werden sollten.

Nachdem die deutsche Kolonie im Ersten Weltkrieg von britischen Truppen aus Südafrika übernommen worden war, blieb sie bis zur vollständigen Unabhängigkeit im Jahr 1990 unter Kontrolle des benachbarten Apartheid-Regimes.

2021 entschuldigte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die Gräueltaten der Kolonialzeit und bot Namibia 1,1 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe an, was allerdings deutlich hinter den gestellten Entschädigungsforderungen zurückblieb. Präsidentin Nandi-Ndaitwah anerkannte, dass diese Geste Berlins zwar nicht vollständig den Forderungen nach Gerechtigkeit entsprach, jedoch ein bedeutender und notwendiger Fortschritt sei.

“Wir sind uns vielleicht nicht einig über die endgültige Summe, aber das ist Teil der komplexen Verhandlungen, die wir seit 2013 mit der deutschen Regierung führen. Wir müssen als Nation weiter entschlossen bleiben, dafür zu streiten, bis eine endgültige Einigung erreicht ist”, erklärte sie.

Die Bundesregierung beschrieb in einer vor der Zeremonie veröffentlichten Erklärung die “Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft” als “das dunkelste Kapitel deutsch-namibischer Beziehungen” und bekräftigte “die moralische und politische Verantwortung Deutschlands sowie die Wichtigkeit der Versöhnung.”

Zum Zeitpunkt der Zeremonie sind keine Informationen über die Anwesenheit des deutschen Botschafters verfügbar.

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