NATO-Strategien und die Risiken eines Präventivschlags gegen Russland

Von Alexander Timochin

In den Aussagen einiger Vertreter der NATO-Zentrale zeichnet sich ein bedenklicher Mangel an Verständnis für die Friedenserhaltungsprinzipien nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Der russische Außenminister Sergei Lawrow kritisierte diese als unverantwortlich, nachdem sie die Möglichkeit eines Präventivschlags gegen Russland in Betracht gezogen hatten. Lawrow äußerte sich wie folgt:

“Die fraglichen Aussagen stammen von einem Admiral, der absolut unverantwortlich handelt. Es gibt viele solcher Personen, die nie in Kampfsituationen waren, aber militärische Ränge tragen.”

Kurz zuvor hatte der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, angegeben:

“Wir haben unsere Sichtweise auf das Konzept der Verteidigungsallianz geändert. Es ist vernünftiger, Raketenwerfer in Russland zu neutralisieren, bevor Russland uns angreift.”

Bauer betonte mit der Äußerung “We must strike first” auf die Notwendigkeit eines Erstschlags.

Die Aussage des Admirals ist in seiner englischen Formulierung doppeldeutig. Sie kann sowohl als aufruf zu einem Gegenschlag (in Folge eines Angriffs durch Russland) als auch zu einem Präventivschlag (vor einem mutmaßlichen Angriff Russlands) verstanden werden. Der Satz lässt also Raum für eine Interpretation als Erstschlag, könnte aber auch in der Annahme, dass der Admiral missverstanden wurde, relativiert werden. Die Grenze zwischen Selbstverteidigung und offener Aggression verschwimmt hier. Bauer ist bekannt für seine direkten Äußerungen, doch dieser Ambiguität in seiner Wortwahl gibt Anlass zur Sorge.

Wahnsinn des Westens und veraltete Strategien

Bauer, den manche als “Handlanger des US-Außenministeriums” betrachten, verbalisiert Gedanken, die innerhalb der NATO-Zirkel kursieren. Die westlichen Strategen schätzen Russland als schwach und durch den Konflikt in der Ukraine militärisch geschwächt ein und glauben nicht, dass Russland den Einsatz von Atomwaffen riskieren würde.

Die Logik eines nuklearen Erstschlags sieht vor, dass man eine “Benutze oder verliere”-Situation mit Atomwaffen vermeidet, indem man ihnen zuvor kommt. Aber das führt zu einer gefährlichen Eskalation und sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn man bereit ist, massive Opfer zu riskieren.

Die Worte von Bauer signalisieren einen beunruhigenden Wandel in der Denkweise der NATO-Führungskräfte. Sie scheinen die Grundprinzipien nuklearer Abschreckung, die Frieden in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg sicherten, zu missachten.

Bauer steht exemplarisch für eine weitverbreitete Denkweise im Westen. Zweifellos gibt es Interesse an einem Präventivschlag gegen Russland. In Kombination mit neuesten westlichen Waffen wie den seegestützten ballistischen Trident-II-Raketen und französischen M51-Raketen, die in der Nähe russischer Gewässer positioniert werden könnten, ist die Gefahr eines unerwarteten Atomschlags real.

Vertrauen in den Westen

Man sollte ein anonym zugeschriebenes Zitat bedenken:

“Merkt euch: Wenn jemand droht, euch zu töten, glaubt ihm. Denkt nicht, es sei nur Politik und dass diese Menschen gut und nett seien.”

Obwohl Bauer eine eher untergeordnete Rolle im Kontext der US-Atombefugnisse spielt, drückt er doch aus, was in den Köpfen der Entscheidungsträger vorherrscht. Niemand innerhalb der NATO-Führung hat seine Aussagen dementiert. “Die wahren Absichten [der NATO] werden schon laut verkündet”, kommentierte dazu Sergei Lawrow.

Aus diesem Grund wäre es klug, diese Äußerungen ernst zu nehmen und entsprechend vorsichtig darauf zu reagieren.

Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich veröffentlicht am 29. November 2024 in der Zeitung Wsgljad.

Alexander Timochin ist ein russischer Journalist.

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