von Dora Werner
Nach dem Tod von Irina Antonowa, der legendären Direktorin des russischen Puschkin-Museums der Schönen Künste, die das Haus mehr als 52 Jahre lang leitete und Mona Lisa, die Präraffaeliten und Picasso nach Russland brachte, wurde das wichtigste Museum des Landes mehrere Jahre lang von der Ukrainerin Marina Loschak geleitet.
Kunstliebhaber in Russland hatten mit Loschaks Tätigkeit allerdings so einige Probleme. Denn Loschak, eine Museumsbeamtin, die im ärgsten Sinne des Wortes prowestlich eingestellt ist, versuchte, das Puschkin-Museum auf liberale Weise umzugestalten. Ihr Vorhaben nannte sie nichts Geringeres als eine “Museumsrevolution”. Warum diese Museumsrevolution in einem der ältesten kunsthistorischen Museen Russlands – und noch dazu in einem staatlichen – stattfinden sollte, begründete sie nicht.
Das Aussehen der Ausstellungsräume, die den Moskauern seit ihrer Kindheit vertraut sind, wurde von ihr radikal verändert, um “dem fortschrittlichen Museumsgeschmack des 21. Jahrhunderts zu entsprechen”. Loschak lud den französischen Bühnenbildner und Designer Patrick Hourcade ein, den Museumsraum fast vollständig neu zu gestalten. Tatsächlich entfernte er aus den Räumen des Museums den größten Teil der einzigartigen Exponate und strich alle Wände in eintönig grauer Farbe neu. Die Dauerausstellung im ersten Stock wurde komplett entfernt, sodass die Säle für Wechselausstellungen zur Verfügung stehen. Hierdurch wurde die Anzahl der ausgestellten Objekte erheblich reduziert. Die Kunstzeitung The Art Newspaper berichtet:
“Im Jahr 2021 wurden die Neuerungen zwar als neuer Blick auf die Sammlung aufgenommen, aber von vielen wegen ihrer ungerechtfertigten Extravaganz mit Befremden quittiert. Es gab auch harsche Kritik. Insbesondere wurde angemerkt, dass die engen Gänge für Besucher und Führer unbequem sind. Jemand hat sogar Rembrandts ‘Bildnis einer alten Frau’ mit einer Tasche zerkratzt, woraufhin die Gemälde an den engsten Stellen des Weges mit Glas geschützt wurden.”
Dabei interessierte sich Marina Losсhak für die besten Beispiele europäischer Museumsarbeit offenbar nicht sonderlich, sonst hätte sie darauf geachtet, dass zum Beispiel im Wiener Kunsthistorischen Museum die Dauerausstellung nicht angetastet und nicht zugunsten irgendwelcher Ausstellungen moderner Kunst größtenteils in die Abstellkammern verschoben wird.
Loschak wurde einst aus politischen Gründen zur Direktorin des Puschkin-Museums ernannt. Im Jahr 2013 gab es heftige Proteste der Opposition und die Verantwortlichen waren der Meinung, dass man mit der Opposition liebäugeln sollte. Also ernannten sie Loschak, eine Person ohne Kunstausbildung, Kunsthintergrund oder Kunstverständnis, aber bekannt für ihre oppositionellen Ansichten, zur Leiterin des größten Museums des Landes. Und auch aus politischen Gründen verließ sie dann das Museum, denn nach dem Beginn der Militäroperation in der Ukraine wurde es zu offensichtlich, dass sie dort fehl am Platz war.
Es war sofort klar, dass die neue Direktorin, die in Moskau geborene Kunsthistorikerin Elisaweta Lichatschjowa, das, was Loschak aufgebaut hatte, verändern würde. Im Dezember vergangenen Jahres erklärte sie:
“Ich bin fest davon überzeugt, dass die jetzige Exposition ein Misserfolg ist. Es war ein Fehler. Wir haben die Fähigkeit verloren, ein Drittel der Dinge, die wir hatten, auszustellen. Das sind hervorragende Werke, Meisterwerke. Ein Drittel ging in die Depots. Das Museum hat das verloren, wofür jedes Museum da ist, und hat sich zu einem Ort der Wechselausstellungen entwickelt. Aber wir haben eine der besten Sammlungen der Welt, und ich möchte, dass das Puschkin-Museum sie in seine Räume zurückholt.”
Die Rückkehr der klassischen Version der Exposition des Puschkin-Museums der Schönen Künste erfolgt nun schrittweise, schreibt The Art Newspaper. Eine erste Umsetzung der Re-Exposition ist für das Frühjahr kommenden Jahres geplant. Die italienische Sammlung, kuratiert von Wiktoria Markowa, einer führenden Expertin für italienische Malerei, wurde bereits eröffnet. Für den 8. April ist die Eröffnung der Säle mit französischer Malerei vorgesehen. Die deutschen und flämischen Gemälde sollen im November zurückkehren. So beschreibt die Zeitung den Prozess der Rückkehr des Puschkin-Museums zu seinen Wurzeln:
“Im Jahr 2024 sollten also die Säle der italienischen Renaissance, Flanderns und Hollands des XVII. Jahrhunderts eröffnet werden, ein eigener Saal von Rembrandt und seinen Nachfolgern wird restauriert, die Malerei der Nordischen Renaissance wird in die Enfilade der Erdgeschoss-Säle zurückkehren. Man verspricht, den Bestand an Skulpturen und dekorativ angewandter Kunst zu erhöhen. Dabei braucht man, wie es im Museum heißt, den schalen Retrostil der Sowjetzeit nicht zu fürchten: Die Exposition wird bereichert und modernisiert, das Licht richtig eingesetzt und die Beschriftung detailliert sein. Es werden auch restaurierte Werke ausgestellt, die dem breiten Publikum nicht bekannt sind.”
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