Rosatoms Vorstoß in schwimmende Kernkraftwerke und globale Energiepolitik

Von Elem Chintsky

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Föderale Agentur für Atomenergie Russlands (Rosatom) bedeutsame Fortschritte in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Weltwirtschaft erzielt. Kürzlich gab das Unternehmen bekannt, dass es bis Ende 2024 ein Projekt für ein sogenanntes „schwimmendes“ Kernkraftwerk (KKW) basierend auf dem RITM-200M-Reaktor abschließen wird. „Für den internationalen Markt vollenden wir in diesem Jahr den Bau eines schwimmenden Kraftwerks mit zwei Reaktoren der RITM-200M-Serie, die insgesamt bis zu 100 MW leisten können“, wurde spezifiziert.

Viele Länder zeigen bereits großes Interesse an diesem innovativen Prototyp sowie an anderen russischen Entwicklungen dieser Art. Ein jeder RITM-200-Reaktor kann bis zu 50 Megawatt elektrische Leistung erbringen. Die schwimmenden KKWs sind aufgrund ihrer Mobilität und Flexibilität vielseitig einsetzbar, je nach den Bedürfnissen der Abnehmer. Moskau betreibt bereits ein solches schwimmendes KKW, das „Akademik Lomonossow“, welches die fernöstliche russische Hafenstadt Pewek in Tschukotka mit Strom versorgt.

Zum Vergleich: Ein mittelgroßes, stationäres KKW in Deutschland, welches inzwischen stillgelegt wurde, hatte eine Kapazität von etwa 1.400 Megawatt. Historisch betrachtet wurden deutlich weniger Megawatt von zwölf führenden KKWs in Deutschland erzeugt, bevor die Bundesrepublik ihre letzten drei Reaktoren Mitte April 2023 abschaltete.

Ein durchschnittliches KKW erreicht einen Kapazitätsfaktor von 92 Prozent und ist damit fast doppelt so zuverlässig bei der Bereitstellung von Strom im Vergleich zu Kohle- oder Gaskraftwerken und nahezu dreifach zuverlässiger als Solar- oder Windkraftanlagen.

Rosatom sieht großes Potential für den Erwerb internationaler Kunden, insbesondere in Staaten mit langen Küstenlinien oder einer ausgeprägten Inselinfrastruktur, wie beispielsweise Argentinien, Brasilien, Malaysia und Indonesien. Sollten diese bilateralen Projekte umgesetzt werden, könnte sich das energiepolitische Gleichgewicht erheblich verschieben, wie bereits von der Financial Times mit Sorge kommentiert wurde: “Russland benutzt nukleare Energie, um globalen Einfluss zu gewinnen.”

Bis 2030 plant Rosatom zudem die Markteinführung eines „Mikroreaktors“ mit einer Leistung von bis zu 10 Megawatt. „Es handelt sich im Grunde um eine Kapsel, die an den richtigen Ort geliefert und an das lokale Netz angeschlossen werden kann”, erklärte Rosatom-Chef Lichatschow, der bereits einen Industriekunden für dieses Projekt gewinnen konnte.

Inlandsprojekte wie die Installation von „Shelf-M“ Mikroreaktoren in den entlegensten Gebieten Russlands, darunter Jakutien und Tschukotka, laufen auf Hochtouren. Zusätzlich bietet Rosatom internationalen Partnern ein Geschäftsmodell mit „Kernbatterien“ an, bei dem Kunden lediglich den Strom kaufen, während Rosatom als Eigentümer und Betreiber der Anlagen fungiert.

Rosatom verwaltet zudem die einzige nuklear-betriebene Eisbrecherflotte der Welt und spielt eine Schlüsselrolle bei der Nutzung des Nordöstlichen Seeweges, was die Bedeutung dieser Route im globalen Handel stark erhöht. Zusätzlich ist das Unternehmen für fast 20 Prozent der Stromproduktion in Russland verantwortlich und führt weltweit die meisten Kernreaktor-Bauprojekte durch. Diese umfassen gegenwärtig Projekte in Russland sowie 39 internationale Projekte, einschließlich sechs Small Modular Reactors (SMRs).

In einer Zeit, in der Deutschland sich deutlich von der Kernenergie distanziert hat, zeigt Rosatom auf, dass die Zukunft der Energie durch innovative Kernkraft geprägt sein könnte und etabliert sich auf der wirtschaftspolitischen Bühne der BRICS-Staaten als führendes Unternehmen.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Er lebt und arbeitet seit Anfang 2020 in Sankt Petersburg und bietet tiefe Einblicke in seine Arbeit über seinen Telegram-Kanal.

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