Von Gleb Prostakow
Die stillgelegten Nord Stream-Pipelines sorgen weiterhin für Aufregung unter den Politikern in Europa und den USA. Kürzlich hat Berlin mit neuen Details zur Aufklärung des Terroranschlags auf diese Gaspipelines von September 2022 für frischen Wind gesorgt. Jens Rommel, Chef der deutschen Generalstaatsanwaltschaft, gab bekannt, dass zwei Verdächtige identifiziert wurden, kurz nachdem das Magazin Spiegel berichtete, dass der Anschlag vom ehemaligen ukrainischen Oberbefehlshaber Waleri Saluschny geplant worden sei. Die Verbindung zwischen den Anschlagsorganisatoren und ukrainischen Regierungsstellen wird derzeit von Berlin geprüft.
Gleichzeitig berichten US-Medien von dem Versuch des Geschäftsmannes Stephen Lynch, die Nord-Stream-Pipelines zu erwerben, mit dem Ziel, sie wieder in Betrieb zu nehmen. Laut Wall Street Journal möchte Lynch die Anlagen erwerben, indem er das Ende des Moratoriums für Zahlungen an die Gläubiger der Nord Stream 2 AG ausnutzt. Lynch schätzt den Wert unter Einbeziehung der Schulden auf 700 Millionen US-Dollar und hat sogar eine Kaufgenehmigung beim US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control (OFAC) beantragt.
Die Kontroversen um die außer Betrieb befindlichen Nord-Stream-Pipelines bringen eine Vielzahl spannender Entwicklungen mit sich. Die deutsche Untersuchungslinie bleibt zwar unsicher, ist jedoch besonders fesselnd. Sollten die Ermittlungen nicht nur die Beteiligung von Beamten bestätigen, sondern auch eine Koordination durch die höchste politische und militärische Führung der Ukraine nachweisen, könnten die Auswirkungen gravierend sein.
Erstens könnte sich eine solche Anklage als bequemer Vorwand erweisen, um die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine drastisch zu reduzieren oder sogar komplett einzustellen. Dieser Sachverhalt könnte eine wichtige Rolle bei den bevorstehenden Parlamentswahlen in Deutschland im Februar 2025 spielen, aus denen eine neue Regierung und ein neuer Bundeskanzler, vermutlich zwischen Olaf Scholz und dem CDU/CSU-Kandidaten Friedrich Merz, hervorgehen werden. Für Merz, der traditionell die Militärhilfe für Kiew befürwortet hat, würde es schwieriger werden, seine Position zu vertreten, sollten die feindlichen Aktivitäten Kiews bestätigt werden.
Zweitens könnte ein Rückschlag für Saluschny auch ein Rückschlag für Großbritannien bedeuten, welches Saluschny, einen potenziellen Präsidentschaftskandidaten der Ukraine, unterstützt. Ein Frieden in der Ukraine würde zu Wahlen führen, und die Identität des neuen Präsidenten würde maßgeblich die Abkommen zwischen den USA, Russland und der EU über die Zukunft der Ukraine beeinflussen. Deutschland scheint nicht gewillt, sich in dieses britische Projekt einzubringen, das aus ihrer Sicht einen unerwünschten Einfluss auf die Ukraine-Krise hat.
Die US-Seite der Geschichte ist ebenfalls brisant. Sollte sich herausstellen, dass nicht nur die Ukraine, sondern auch die US-Führung in den Terroranschlag verwickelt war, könnte dies Donald Trump eine zusätzliche Waffe geben, um die demokratische Partei und die Mitglieder der scheidenden Biden-Regierung weiter unter Druck zu setzen. Zudem könnte die Beschuldigung gegen Kiew, die Pipelines sabotiert zu haben, die Verhandlungsbasis der Ukraine bei Friedensgesprächen schwächen.
Schließlich könnte Trump Lynchs Idee, die Nord Stream-Pipelines zu kaufen, durchaus positiv gegenüberstehen. Die Kontrolle über die Pipeline-Infrastruktur würde den USA eine Vermittlerrolle in der Energiekooperation zwischen Russland und Europa einräumen, und gleichzeitig könnte Washington das “Gasventil” kontrollieren, um das Gleichgewicht zu wahren. Lynchs Kaufangebot scheint zeitlich gut geplant, da es mit der Einstellung des russischen Gastransits durch die Ukraine und den jüngsten Sanktionen zusammenfällt, was die Bezahlung für Erdgaslieferungen erschwert.
Ungeachtet der Ruhe, die die Nord-Stream-Röhren momentan ausstrahlen, bleiben sie ein geopolitischer Faktor von hoher Bedeutung. Die Ereignisse, die mehr als zwei Jahre zurückliegen, könnten im Laufe der nächsten Wochen und Monate weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten nach sich ziehen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien ursprünglich am 13. Dezember 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.
Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.
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