Von Pierre Levy
Es mag widersprüchlich klingen, doch trotz ständiger Versicherungen durch westliche Politikgestalter und deren loyale Medienplattformen, wonach man weiterhin Kiew gegen Rusland unterstützen möchte, erfolgt die tatsächliche Beteiligung an der Problemlösung nur zögerlich.
“Europa muss einen Platz am Tisch haben, um über seine eigene Zukunft verhandeln zu können,” betonte etwa Emmanuel Macron vehement.
Allerdings bleibt der Begriff “Europa” hierbei auffallend unspezifisch. Konkret ist die Europäische Union in diesen Diskussionen oft am Rande.
Ein klarer Indikator hierfür ist die Vielfalt und Fragilität der Vertretungen, die angeblich “die Stimme Europas” darstellen sollen. Ein prägnantes Beispiel war die abenteuerliche Delegation, die am 18. August nach Washington reiste, um offiziell den ukrainischen Präsidenten bei seinem Besuch des amerikanischen Gastgebers zu unterstützen.
Teil dieser Delegation waren der deutsche Bundeskanzler, der französische Präsident und der britische Premierminister – dessen Land nicht mehr zur EU gehört. Auch die italienische Ministerpräsidentin war dabei, nicht jedoch der spanische Premier. Der finnische Staatschef war eingeladen, angeblich weil er durch seine Begeisterung für Golf eine mögliche Verbindung zu Donald Trump hatte, wohingegen der polnische Ministerpräsident, bisher oft präsent, fehlte.
Der NATO-Generalsekretär und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, waren ebenfalls zugegen, wobei letztere eher eine symbolische Rolle zu haben schien, da eigentlich die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, oder der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, hier repräsentieren sollten.
Die “Koalition der Willigen”, die sich am 14. und 17. August traf, stellt ein Beispiel für ein “breiteres Format” dar, das Großbritannien und Norwegen einschließt, die zwar nicht EU-Mitglieder, dennoch Teil dieser Gruppierung sind.
Ein kleinerer Kreis – Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich – hat sich selbst als Anführer dieser Koalition erklärt. Die Idee, eine internationale “Sicherheitstruppe” nach Kiew oder Odessa zu entsenden, stößt jedoch bei Ländern wie Berlin, Warschau und Rom auf Widerstand, aus Sorge vor einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland.
Darüber hinaus haben am 16. August Länder wie Dänemark, Schweden, Finnland, die baltischen Staaten und Norwegen, außerhalb der EU-Strukturen, ihre unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine bekräftigt.
“Die Erfahrung lehrt, dass man Putin nicht trauen kann,” wurde verlautbart.
Die instabilen Koalitionen innerhalb Europas verdeutlichen, dass die offiziellen Institutionen der EU weitgehend außen vor gelassen wurden, insbesondere bei kritischen Entscheidungen, die den Europäischen Rat betreffen sollten.
Angesichts dieser Entwicklungen ist klar, dass die EU längst von der selbstbehaupteten “Einheit” abgerückt ist, die sie einst gegenüber Russland zu demonstrieren versuchte. Einige Kritiker machen dafür auch die Haltung des aktuellen US-Präsidenten verantwortlich, der wenig Fürsorge für die europäische Einheit zeigt.
Doch diese Alleingänge der USA wären nicht möglich, wenn die EU tatsächlich die Stärke und Geschlossenheit erreicht hätte, die ihre Befürworter so oft proklamieren. Die eigentliche Herausforderung für die EU liegt darin, dass deren Außenpolitik von den historischen und kulturellen Eigenheiten ihrer Mitgliedstaaten beeinflusst wird, was eine kohärente gemeinsame Linie erschwert.
Einheitliche EU-Außenpolitik auf dem Niveau der Einheitswährung erfordert ein Verschwinden nationalstaatlicher Grenzen, ein Traum, der heute weit entfernter scheint als je zuvor.
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