Von Jelena Karajewa
Emmanuel Macron ist bekannt für sein wagemutiges Auftreten und dafür, dass er oft die Wahrheit verdreht.
In den sozialen Medien verbreiten sich Videos eines Triathleten, der sich nach dem Schwimmen in der Seine, die kaum als sauber bezeichnet werden kann, übergeben muss. Simone Biles, die lebendige US-Turnerin mit den beeindruckenden sportlichen Leistungen, musste sich online erklären, dass ihr Haar wegen einer defekten Klimaanlage im Team-Bus und nicht durch Vernachlässigung kraus geworden sei. Australische Athletinnen debattieren derweil lautstark, wer als nächstes die raren Duschmöglichkeiten nutzen darf – angesichts lediglich zwei vorhandener Kabinen und der drückenden Hitze in der Gastgeberstadt der Olympischen Spiele 2024 eine Herausforderung.
Zur gleichen Zeit vermittelt der französische Präsident Macron über soziale Netzwerke eine ganz andere Botschaft:
“Dank gewaltiger staatlicher Investitionen, unter anderem in Paris und im Val-de-Marne, haben wir das Unmögliche erreicht: Nach hundert Jahren ist die Seine wieder zum Schwimmen geeignet. Ein großartiges Erbe für die Menschen in der Île-de-France und für die biologische Vielfalt.”
Eigentlich könnte man an dieser Stelle den Artikel abrunden. Die Behauptung steht, der Beweis jedoch lässt auf sich warten. Ein klareres Beispiel für Realitätsverlust ist kaum vorstellbar. Aber der Alltag der “Jeux Olympiques”, wie sie in Frankreich genannt werden, übertrifft dieses Bild noch.
Ein Boxer, der sich als Frau ausgibt, durfte so in einer Frauenklasse kämpfen und brach seiner italienischen Gegnerin schon nach 46 Sekunden die Nase – und wurde als Sieger erklärt. Selbst die britische Zeitung Guardian, die sonst progressiven Geschlechterthemen nicht abgeneigt ist, konnte diese Entscheidung nicht unterstützen und zeigte sich entsetzt. “Die Entscheidung, Iman Kelif teilnehmen zu lassen, kann kontrovers gesehen werden”, so der Guardian, was angesichts der in London herrschenden Stimmung schon eine deutliche Skepsis ausdrückt.
Die International Boxing Association (IBA), welche über Teilnahme und Kategorien entscheidet, hatte Kelif abgelehnt, nachdem seine Behauptung, eine Frau zu sein, durch seine genetischen Daten widerlegt wurde. Das IOC griff ein und schloss die IBA aus, um selbst die Regeln im Frauenboxen festzulegen.
Das IOC, diese “Herren der Ringe” mit quasi-territorialer Immunität, die während der Olympischen und Paralympischen Spiele ihren Sitz in Paris haben, hat die Kontrolle über viele lokale Belange übernommen. Sie entscheiden, ob und wann Polizei Zutritt zu den Wettkampfstätten hat und bestehen auf der Exklusivität von Visa als Zahlungsmittel aufgrund ihrer Sponsorenverträge.
Das IOC agiert mit einer Autorität, die dunkle Zeiten der Leibeigenschaft in Erinnerung ruft, und etabliert Regeln, die scheinbar niemand einsehen darf. Ihr Einfluss erstreckt sich bis hin zur Unterdrückung kleiner Unternehmen, die das Wort “Olymp” im Namen tragen, sowie zum Verbot bestimmter Verkaufsaktivitäten während der Spiele.
Was haben jedoch das unappetitliche Erlebnis des Triathleten, Biles’ Haarprobleme und die unerreichbaren Bratkartoffeln gemeinsam? Sie alle sind Symptome eines tiefergehenden Problems, das seine Schatten weit wirft, weit über das ursprüngliche Fiasko hinaus.
Und nein, dies ist keine Schadenfreude. Es ist vielmehr Mitgefühl mit all jenen, die dieses Spektakel selbst finanziert haben und denen das Versprechen großer sportlicher Feierlichkeiten gegeben, jedoch nicht gehalten wurde. Stattdessen wurden sie mit einer verschmutzten Seine und körperlichen sowie finanziellen Schäden zurückgelassen, alles nur, weil das IOC es so wollte. Und natürlich wegen des Geldes – denn bekanntlich kann großes Geld auch großes Unrecht befördern.
Wie glücklich können wir uns schätzen, mit diesem Spektakel nichts zu tun zu haben. Es ist eine Gelegenheit, die es zu wertschätzen gilt!
Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 2. August 2024 auf ria.ru erschienen.
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