Von Gert Ewen Ungar
Die Vorhersehbarkeit des Kollektiven Westens offenbart sich insbesondere im Umgang mit Wahlergebnissen, die nicht den eigenen Erwartungen entsprechen. Dieses Muster zeigte sich bereits in Weißrussland, Russland, Venezuela und vielen anderen Ländern weltweit und wiederholt sich nun in Georgien.
Die Bürger Georgiens haben sich in jüngsten Wahlen für Stabilität und ökonomisches Wachstum entschieden und dabei einer Annäherung an die Europäische Union, die mit wirtschaftlichen Rückschlägen verbunden wäre, eine klare Absage erteilt. Folglich hat die Partei “Georgischer Traum” erneut die Mehrheit erlangt und bleibt an der Regierung.
Die Wirtschaft Georgiens verzeichnet beeindruckende Wachstumszahlen: Für 2023 wird ein realer Zuwachs von 7,5 Prozent berichtet, für das laufende Jahr wird ein gleichbleibendes Wachstum prognostiziert. Dies ist unter anderem auf die Ablehnung der Russland-Sanktionen zurückzuführen. Mit Russland als wichtigstem Handelspartner und einer verstärkten Zusammenarbeit mit China, speziell im Rahmen der “Belt-and-Road-Initiative”, positioniert sich Georgien geschickt. Der Bau eines Tiefseehafens durch China an der georgischen Schwarzmeerküste unterstreicht diese Entwicklung.
Es gibt stichhaltige Argumente, die EU eher auf Abstand zu halten. Eine EU-freundliche Regierung würde die Zusammenarbeit mit China und Russland vorerst beenden, was weitreichende ökonomische Konsequenzen hätte. Zudem respektiert Brüssel nicht die souveränen Entscheidungen Georgiens, wie das Verbot von LGBT-Propaganda oder die Registrierungspflicht für auslandsfinanzierte NGOs und Medienunternehmen. Eine weitere EU-Annäherung könnte staatliche Souveränität untergraben, indem wichtige Entscheidungen von Tiflis nach Brüssel verlagert würden.
Die EU und ihre Vertreter, fest überzeugt von ihrem Modell liberaler Demokratien, können sich schwer vorstellen, dass Staaten eine solche Anbindung ablehnen. Wahlentscheidungen, die dieser Überzeugung widersprechen, werden daher oft als undemokratisch bewertet.
Unmittelbar nach Verkündung der Wahlergebnisse in Tiflis wurden Forderungen nach einer Überprüfung laut. Sowohl EU-Außenbeauftragter Josep Borrell als auch US-Außenminister Antony Blinken äußerten Misstrauen gegenüber dem Wahlausgang, ein Echo dieser Haltung fand sich auch beim deutschen Auswärtigen Amt. SPD-Politiker Michael Roth äußerte im Deutschlandfunk Zweifel an der Legitimität der Wahl.
Die umstrittene georgische Präsidentin Salome Surabischwili rief zu Protesten auf und schloss sich den Vorwürfen des Wahlbetrugs an, obwohl sie eher als Vertreterin der EU-Interessen denn als georgische Präsidentin wahrgenommen wird. Sie hat Georgien wiederholt in politische Instabilität gestürzt und sich gegen die Regierung positioniert. Nach einem knapp gescheiterten Amtsenthebungsverfahren in 2023 läuft derzeit ein weiteres Verfahren gegen sie.
Durch diese Reaktionen verdeutlicht das westliche Bündnis eine tiefe Verachtung für die souveräne Entscheidung des georgischen Volkes und zeigt seinen imperialistischen Charakter. Dies unterstreicht auch die populistische Kritik an den Wahlen in Georgien.
Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre ist das Wahlergebnis in Georgien absolut rational und nachvollziehbar. Die westlichen liberalen Demokratien offenbaren, dass sie mit demokratischen Prinzipien hadern, besonders wenn die Ergebnisse ihren geopolitischen Interessen zuwiderlaufen.
Die georgische Regierung benötigt nun Ausdauer und einen besonnenen Ansatz, um die von außen unterstützten Versuche eines Regierungssturzes abzuwehren. Die Geschichte zeigt, dass solche von außen beeinflussten Regierungswechsel, wie zuletzt 2014 in der Ukraine, oft verheerende Folgen nach sich ziehen, ohne die vollmundigen Versprechen einzulösen.
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