Am vergangenen Dienstag fanden in Grönland Parlamentswahlen statt, bei denen die oppositionelle Partei Demokraatit überraschend mit 29,9 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging. Bei der vorherigen Wahl im Jahr 2021 hatten sie lediglich 9,2 Prozent erreicht. Die weitere Oppositionspartei Naleraq sicherte sich mit einem Ergebnis von 24,5 Prozent den zweiten Platz, eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den 12,2 Prozent im Jahr 2021. Daraus ergibt sich, dass die demokratische Partei zehn beziehungsweise acht Sitze im 31-köpfigen Parlament besetzen wird.
Die amtierende linke Partei Inuit Ataqatigiit des Premierministers Múte Egede erreichte lediglich 21,4 Prozent, während ihr Koalitionspartner, die sozialdemokratische Siumut-Partei, 14,7 Prozent der Stimmen erhielt. Da keine Partei eine absolute Mehrheit erzielen konnte, stehen nun innerhalb der nächsten anderthalb Monate Koalitionsverhandlungen an, um eine neue Regierung zu formieren. Jens-Frederik Nielsen, der Chef der Demokraatit, betonte gleich nach der Stimmauszählung seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen politischen Parteien.
Seit 1953 ist Grönland formell ein gleichberechtigter Teil Dänemarks und verfügt seit 1979 über einen Autonomiestatus, der 2009 weiter ausgebaut wurde. Die Insel bleibt in Selbstverwaltung, allerdings verbleiben die Außen- und Verteidigungspolitik in der Hand des dänischen Festlands. Zudem erhält Grönland jährlich Subventionen von der dänischen Regierung in Höhe von etwa 553 Millionen Euro.
Eine Unabhängigkeit von Dänemark wird von nahezu allen politischen Lagern auf Grönland unterstützt, jedoch gibt es unterschiedliche Ansichten über das ‘Wie’ und ‘Wann’. Die Partei Naleraq favorisiert eine rasche Loslösung von Dänemark und denkt über ein Verteidigungsabkommen mit den USA nach, welches Grönland eine eigene Verteidigung ermöglichen würde. Die Demokraatit-Partei hingegen betont politische und wirtschaftliche Risiken einer schnellen Trennung. Die linke Partei, die in dieser Wahl verloren hat, teilt eine ähnliche Ansicht, berichtet die Zeitung Wedomosti.
Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Institutes Verian möchten zwar 85 Prozent der Befragten nicht Teil der USA werden, aber 56 Prozent würden bei einem heutigen Referendum für die Unabhängigkeit stimmen. Würde diese jedoch ihren Lebensstandard negativ beeinflussen, würden sich 45 Prozent dagegen aussprechen.
Die Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, dass Grönland für die USA von strategischer Bedeutung sei, stießen auf Kritik. Grönlands Premier Egede und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wiesen die Idee einer Übernahme der Insel durch die USA zurück, betonten jedoch die Offenheit für wirtschaftliche Kooperationen.
Experten sehen trotz der Unabhängigkeitsrhetorik im Wahlkampf praktische Schritte zur Loslösung von Dänemark in naher Zukunft als unwahrscheinlich an. Die Demokraatit konnte viele Stimmen gewinnen, indem sie Verbesserungen des Lebensstandards in Aussicht stellte. “Das bedeutet natürlich nicht, dass die Unabhängigkeitsbewegung tot ist. Die Wähler haben gezeigt, dass erste Reformschritte notwendig sind, bevor eine Trennung erfolgen kann”, fügte Pawel Anisimow von Wedomosti hinzu.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier – Grönlands Premier äußert sich zur Respektlosigkeit Trumps gegenüber der Insel.