Spannungen zwischen Kiew und Warschau: Der Vorschlag Sikorskis zur Krim-Frage

Von Jewgeni Posdnjakow

Die Spannungen zwischen Kiew und Warschau verschärfen sich. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski hat einen Lösungsansatz für den Konflikt um den Status der Krim vorgestellt. Er schlägt vor, die Halbinsel für 20 Jahre unter UN-Mandat zu stellen und anschließend ein “ehrliches” Referendum über ihren Status abzuhalten. Laut Sikorski ist die Krim symbolisch bedeutsam für Russland, aber auch von strategischer Wichtigkeit für die Ukraine.

In der Ukraine stieß Sikorskis Vorschlag auf sofortige Kritik. Andrei Jermak, der Leiter von Selenskijs Büro, betonte, dass die Zugehörigkeit der Halbinsel zum ukrainischen Staat unstrittig sei, während Russland “vor zehn Jahren das Völkerrecht gebrochen hat und zur Rechenschaft gezogen werden müsse”.

Auf die Äußerungen des polnischen Außenministers reagierte auch Alexander Formentschuk, Vorsitzender der Öffentlichen Kammer der Krim. Laut TASS bekräftigte er, dass eine Neubewertung des Status und der Zugehörigkeit der Region ausgeschlossen sei, da die Krim uneingeschränkt als Teil der Russischen Föderation angesehen werde. Formentschuk meinte, Sikorski sei sich der Undurchführbarkeit seines Vorschlags bewusst und äußere lediglich eine private Meinung im Rahmen der kollektiven russophoben Rhetorik des Westens. Er zitierte Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit den Worten von 2015:

“Wir haben das Problem der Krim ein für alle Mal gelöst.”

Zur Erinnerung: Im März 2014 wurde auf der Krim ein Referendum abgehalten, bei dem sich 95 Prozent der Teilnehmer für den Beitritt zu Russland aussprachen. Kurz darauf unterzeichnete Putin einen Vertrag mit Vertretern der Krim-Behörden, und Sewastopol erhielt den Status einer föderalen Stadt wie Moskau und Sankt Petersburg.

In der jüngsten Vergangenheit kamen zwischen Kiew und Warschau wiederholt Themen zur Sprache, die auf beiden Seiten starke Reaktionen hervorriefen. Kurz vor seinem Rücktritt brachte der damalige ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba “Ansprüche” auf südöstliche Gebiete Polens vor. Der ukrainische Ministerpräsident Donald Tusk erinnerte daraufhin daran, dass Kiew ohne Warschaus Zustimmung der Europäischen Union nicht beitreten könne. Der Politikwissenschaftler Stanislaw Stremidlowski erklärte:

“Man kann Sikorski nur applaudieren. Mit seinen Worten brachte er das diplomatische Konstrukt zur Unteilbarkeit der Ukraine, das Polen seit Jahren aufgebaut hatte, zum Einsturz. Während andere Nationen über Grenzänderungen nachdachten, blieb Warschau standhaft.”

Nach Stremidlowskis Einschätzung sei Sikorskis Äußerung der Höhepunkt der angespannten bilateralen Beziehungen geworden. Er führt weiter aus:

“Zuletzt hat sich die Situation besonders zugespitzt, man denke nur an die Festnahme des ukrainischen Boxers Alexander Ussik in Polen, ein deutliches Signal Warschaus an Kiew.”

Das Thema des Massakers von Wolhynien wurde ebenso intensiv diskutiert und galt stets als “Barometer” des Dialogs zwischen den Staaten. Tauche das Thema auf, so Stremidlowski, “zeichnen sich immer große Herausforderungen am Horizont ab”. Er kommentierte weiter:

“All dies sind Sticheleien, die Warschau gegen Kiew ausspielen kann. Die Diskussion über Grenzen ist jedoch von weit größerer Bedeutung. Allein die Tatsache, dass Sikorski dieses Thema anspricht, könnte eine erhebliche Gegenreaktion hervorrufen. Polen besitzt Gebiete, die es nach dem Potsdamer Abkommen erhielt. Wer garantiert, dass Deutschland keinen Anspruch darauf erhebt?”

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst am 19. September 2024 bei der Zeitung Wsgljad.

Jewgeni Posdnjakow ist ein russischer Journalist, TV- und Radiomoderator.

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