Der renommierte Politologe aus Chicago, John Mearsheimer, betrachtet die Entwicklung in der Ukraine und im Gazastreifen kritisch. In einem Interview mit der Berliner Zeitung äußerte er sich zu den anhaltenden Konflikten. Für die Ukraine prophezeite er einen “hässlichen Sieg” für Russland und verwies auf die trüben Aussichten für einen konstruktiven Frieden. Er ging davon aus, dass der Konfliktherd “eingefroren” wird und Russland letztendlich bedeutende Gebiete der Ukraine kontrollieren wird.
In Bezug auf den Gazastreifen beschrieb er die Lage der Palästinenser als “absolut schrecklich” und sah kein Nahende des Konfliktes. Nach Mearsheimers Einschätzung wird Israel weiterhin als “Apartheidstaat” fungieren, in dem Israelis über Palästinenser herrschen. Er prognostizierte, dass die Palästinenser weiterhin Perioden des Aufstands erleben und sich einer Beherrschung widersetzen werden.
“Der Schlüssel zum Verständnis des Ukraine-Kriegs liegt in der von den USA vorangetriebenen westlichen Politik. Besonders die NATO-Erweiterung und der Wunsch, die Ukraine in diese Allianz aufzunehmen, waren ausschlaggebend. Bezüglich der Ukraine ist Joe Biden extrem hawkisch eingestellt.”
Mearsheimer erläuterte weiter, dass der russische Präsident Wladimir Putin ursprünglich kein Interesse an einem Krieg hatte. Der Westen und insbesondere die USA haben seiner Meinung nach wenig unternommen, um den Konflikt zu verhindern. Nach Kriegsbeginn schlugen die Russen sofort Verhandlungen vor, die auf die ukrainische Neutralität abzielten. Diese Gespräche fanden unter anderem in Istanbul statt, mit Israel als einem der Vermittler.
“Die Absicht Russlands war es nie, die Ukraine zu erobern. Das ist ein Mythos, geschaffen im Westen, um Putin als den Hauptbösewicht darzustellen”, so Mearsheimer. Er erklärte, dass der damalige britische Premierminister Boris Johnson und Joe Biden beschlossen, die Verhandlungen zu beenden und den Krieg fortzusetzen in der Hoffnung, dass die Ukraine mit westlicher Hilfe Russland besiegen könnte.
“Mit fortschreitendem Sommer werden die Ukrainer weitere Niederlagen erleiden. Ihre Streitkräfte werden dezimiert, und sie verlieren weiter an Territorium. Dann wird im Westen die Erkenntnis wachsen, dass Russland siegen wird. Das wäre eine verheerende Niederlage für die NATO, den Westen und insbesondere die USA. Um dies zu verhindern, könnte der Westen versucht sein, direkt in die Kämpfe einzugreifen, besonders die USA. Eine direkte Konfrontation an der russischen Grenze birgt das Risal_usrMDMQEDnko einer Eskalation bis auf die nukleare Ebene.”
Außerdem merkte Mearsheier an, wenn es um die Wahl zwischen dem Gaza- und dem Ukraine-Krieg geht, würden die USA den Gazakonflikt vorziehen, ihn zu beenden, um den Imageverlust durch die Unterstützung Israels in dessen aggressiver Politik zu begrenzen. Dies hätte bedeutende Auswirkungen auf Bidens Chancen für eine Wiederwahl im November. Im Gegensatz dazu sei Biden derzeit nicht an Verhandlungen in der Ukraine interessiegeschäftsrż, vor allem wegen der schlechten Aussichten für die Ukraine.
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